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01. Januar 2024

Praxistest Mercedes-Benz EQE SUV 350: Elektrische Eleganz mit Preisschild

Die Elektrostrategie von Mercedes-Benz ist nicht wirklich ein Erfolg. Nur einer von zehn verkauften Neuwagen ist ein Stromer. An den Produkten selbst kann es eigentlich nicht liegen, wie unser Praxistest des EQE SUV belegt. Das 4,86 Meter lange Elektro-SUV ist anders als sein großes EQS-Pendant auf sozialverträglicheres Maß geschrumpft und zeigt auch sonst alles, was man von der schwäbischen Luxusmarke erwarten kann. Leider aber auch wieder eine kostspielige Aufpreisliste.

So sind alle Features, die buchstäblich ins Auge (und Ohr) springen, nur gegen viele Extra-Euros zu bekommen. Alles voran die futuristische Cockpitlandschaft mit dem spektakulären Hyperscreen, bei dem ein 12,3-Zoll-Fahrer-, 17,7-Zoll-Zentral- und 12,3-Zoll-Beifahrer-Display optisch nahtlos in ein 141 Zentimeter breites Bildschirmband zusammengehen, allerdings auch für sage und schreibe 5831 Euro. Außerdem das hilfreiche und gestochen scharfe Head-Up-Display inklusive Augmented Reaity-Anzeige für 1297 Euro oder das Surround-Soundsystem von Burmester (nur im Paket mit anderen Optionen ab 11.186 Euro). Aber auch die vorzügliche Allradlenkung (1547 Euro) sowie viele der fortschrittlichen Assistenzsystem sind aufpreispflichtig, von den hochwertigen Leder-, Holz-, und Zierlementen, Polster, Rad-Reifenkombinationen sowie Ex-/Interieur-Lines gar nicht zu reden, sodass der Listenpreis von 89.548 Euro für die von uns gefahrene Allradvariante 350 SUV 4-Matic mit 215 kW (292 PS) Leistung auch sehr schnell sechsstellig werden kann.

Blickt man auf die Konkurrenz, etwa Audi Q8 e-tron, BMW iX oder auch Nio EL 7, bewegen sich die Preise zwar immer noch im Rahmen. Absolut gesehen aber dennoch eine ordentliche Stange Geld für eine möglicherweise zukunftssichere, wenn auch nach wie vor vergleichsweise eingeschränkte Mobilität. Denn auch wenn wir mit der vollen 90,6-kWh-Batterie im besten Fall gut 430 Kilometern weit kamen, muss der EQE SUV gegenüber seinem ähnlich teuren (ab 85.055 Euro) und starken (269 PS) Verbrenner-Pendant GLE 300d 4-Matic doch sowohl in Sachen Reichweite, Endgeschwindigkeit sowie allgemeiner Alltagstauglichkeit zurückstecken. Allein mit dem unglaublich wuchtigen Drehmoment von 765 Newtonmetern ab Start, mit dem das immerhin 2,6 Tonnen schwere SUV in 6,7 Sekunden auf Tempo 100 surrt, schneidet es im Vergleich zu 550 Nm und 6,9 Sekunden beim GLE etwas besser ab. Bei der Anhängelast (1800 zu 2700 Tonnen) und Kofferraumkapazität (520-1675 Liter zu 630-2055 Liter) ist der Verbrenner dann wieder vorn.

Doch egal, bevor wir Äpfel mit Birnen vergleichen, wer sich für den Luxus des potenten oberen Mittelklasse-SUV-Stromers entscheidet, fährt innerhalb der Elektro-Community weit vorn. Hervorragende Verarbeitungsqualität trifft hier auf geschmackvolle Materialauswahl, luftige Platzverhältnisse vorne wie hinten auf bequemen Sitzkomfort sowie ein üppiges Infotainment-System mit intuitiver Bedienung auf eine ebenso aufmerksame wie schnelle Sprachbedienung. Darin enthalten ist auch eine schlaue Navigation, die bei der Routenplanung Staus und optimale Ladepausen miteinberechnet und Tipps zur Fahrweise gibt, um das Ziel zu erreichen.

Auch optisch ist das EQE SUV eine Erscheinung, die sich zwar auf den ersten Blick mit Statur, integrierter Frontmaske und durchgehendem Rückleuchtband kaum von seinem großen Bruder EQS SUV unterscheidet – zumal, wenn es wie bei unserem Testwagen noch dieselben (unnützen) Trittbretter trägt. Doch die im Windkanal rundlich geschliffene Karosse mit kurzen Überhängen, komplett verkleidetem Unterboden, großen 22-Zoll-Aerodynamik-Rädern und Dachspoiler lassen den Wagen mit cw-Wert 0,25 elegant und nahezu geräuschlos durch den Fahrwind schlüpfen. Dank zusätzlicher Akustikverglasung dringen Roll- und Windgeräusche auch bei mehr als 120 km/h nicht in den Innenraum und es bleibt dazu angenehm still.

Das schnurrende Elektro-SUV ist sehr fahrstabil, rollt ausgesprochen leise und geschmeidig ab, kaschiert auf wundersame Weise seinen schweren Akku-Untergrund selbst auf buckeligen und brüchigen Abschnitten und fühlt sich dabei noch äußerst handlich und leichtfüßig an. Letzteres ist natürlich auch dem Antrieb geschuldet, der in unserem Testwagen verbaut war. Der EQE 350 4-Matic besitzt gleich zwei E-Maschinen an Vorder- und Hinterachse, was ihm einen variablen Allradantrieb beschert und in der Spitze eine Gesamtleistung von 215 kW (292 PS). Den Standardsprint von null auf Tempo 100 erledigt der schwere Brocken damit in schnellen 6,7 Sekunden inklusive des bekannten Elektro-Punchs bei Antritt und lässigem Spurwechsel. Zwischenspurts und Überholmanöver von 80 auf 120 km/h oder 60 auf 100 km/h laufen nochmal ein bis zwei Sekunden schneller ab. Das Höchsttempo wird bei 210 km/h limitiert.

Je nach Fahrmodus (Eco, Comfort, Sport und individuell) ändert sich das Ansprechverhalten von Fahrpedal, Lenkung und Fahrwerk spürbar. Wobei „Comfort“ am besten zu Fahrzeug und Antrieb passt, weil das Fahrwerk Unebenheiten ganz locker ausbügelt, die hohe Karosserie nicht nachschwingt und der Wagen zum lässig-souveränen Gleiten einlädt. Die Stärke der Rekuperation (Bremsenergierückgewinnung) lässt sich dreistufig am Lenkrad verstellen, wobei Bremsen und Verzögern durch einfaches vom Gas gehen (One Pedal Driving) in der starken Rekuperationsstufe gelingt.

Apropos, mit der gut 90 kWh großen Batterie soll der EQE laut Mercedes unter WLTP-Idealbedingungen bis zu 566 Kilometer weit fahren können. Das ist natürlich ebenso wenig zu schaffen wie die bestenfalls 18,6 kWh, die Mercedes als Durchschnittsverbrauch angibt. Weniger als 23 kWh zeigte der Bordcomputer im Testzeitraum so gut wie nie an, allerdings hielten wir uns auf der Autobahn auch nicht immer an die Richtgeschwindigkeit. Gute 350 Kilometer mit einer 80-Prozent-Schnellladung waren jedoch immer drin. Die funktioniert übrigens trotz konventioneller 400-Volt-Technik dank eines cleveren Thermo- und Lademanagements erstaunlich fix und zuverlässig.

Wird eine Ladesäule als Ziel eingegeben, temperiert das System die Batterie so vor, dass die Ladeleistung unverzüglich hochschnellt, um sich zwischen 140 und der versprochenen Maximalleistung von 170 kW einzupendeln und bis zum Erreichen der 80 Prozent auch nahezu konstant bleibt. Vor allem im Winter ist das eine feine Sache, weil die Ladezeit entsprechend verkürzt wird. Viel länger als eine halbe Stunde mussten wir jedenfalls nie warten, bis wir für die nächsten 300 Kilometer wieder flott waren.

Am Ende bliebt der EQE SUV ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann. Und hinterlässt trotz all seiner Qualitäten die Frage, ob er seinen Preis wert ist, insbesondere im Vergleich zu starken Verbrennermodellen? Letztendlich wohl eine persönliche Entscheidung zwischen Luxus, Umweltbewusstsein und den Einschränkungen der aktuellen Elektromobilität. 

Daten Mercedes-Benz EQE SUV 350 4-Matic

Länge x Breite x Höhe (m): 4,86 x 1,93 x 1,69
Radstand (m): 3,03

Antrieb: Zwei Elektromotoren, Allradantrieb, 1-Gang-Reduktionsgetriebe
Systemleistung: 215 kW / 292 PS
Max. Drehmoment: 765 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,7 Sek.
Energieverbrauch (WLTP): 22,4 – 18,7 kWh
CO2-Emissionen (WLTP): 0 g/km
Batteriegröße: 90,6 kWh
Reichweite (WLTP): 479-566 km
Leergewicht (EU)/ Zuladung: min. 2580 kg / max. 536 kg
Kofferraumvolumen: 520-1675 Liter
Basispreis: 89.548 Euro

(Quelle: Frank Wald, cen)


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