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14. November 2023

Vorstellung Mercedes-AMG GT: Mehr als nur ein spitzer SL

Sie sind hübsch nebeneinander aufgestellt, die Vorläufer des neuen Mercedes-AMG GT: Der 2009 vorgestellte Flügeltürer SLS und sein Nachfolger von 2014, der in seinen Grundzügen noch auf dem SLS basierende GT. Er steht hier mit seinem ursprünglichen, eleganten Kühlergrill, bevor ihm 2017 der aggressivere „Panamericana“-Grill verpasst wurde. Jetzt gibt es einen neuen GT, der allerdings im Portefeuille kein Solitär mehr ist, sondern er wurde direkt vom neuen SL abgeleitet. Befürchtungen, der neue GT könnte deshalb etwas weichgespült daherkommen, können allerdings zerstreut werden. Denn der SL ist seit dem vor knapp zwei Jahren vollzogenen Generationswechsel kein Boulevard-Cruiser mehr, sondern ein ernsthafter Sportwagen, vollständig entwickelt von AMG.

Diese Verwandtschaft sieht man dem GT auch an, aber das ist auch gut so: Mit langer Haube, tiefer Fahrgastzelle und abfallendem Heck verkörpern SL und GT den klassischen Sportwagen-Stil. Im Vergleich zum bisherigen AMG GT sind die Proportionen etwas weniger extrem, aber das ist eher ein Vorteil: Man sitzt weiter vorn, das Auto ist übersichtlicher – und lässt sich damit auch auf der Landstraße noch präziser positionieren. Gegenüber dem SL hat AMG allerdings nachgeschärft, vor allem mit einer aggressiven, tiefer gezogenen Frontmaske. Das Interieur ist identisch – bis auf ein kleines Detail: Der im SL zur Vermeidung von Spiegelungen elektrisch neigungsverstellbare Zentralbildschirm ist hier fixiert.

Der GT ist in wichtigen Punkten nochmals spitzer ausgelegt als der SL. Er behält alle strukturellen Versteifungen des SL, gewinnt darüber hinaus aber durch sein festes Dach nochmals erheblich an Stabilität. Fahrwerk und Achskinematik sind eigenständig abgestimmt, die Regelsysteme – es handelt sich um eine neue Software-Generation - arbeiten noch feinfühliger. Die Einstiegsmotorisierung ist gestrichen: Während es den SL auch als Vierzylinder mit Heckantrieb gibt, kommen im GT ausschließlich 4,0-Liter-Achtzylinder zum Einsatz – und zwar in zwei Versionen. Ein heckbetont ausgelegter Allradantrieb, bei dem sich die Vorderachse übrigens auch komplett abkoppeln lässt, ist obligatorisch.

Im AMG GT 55 leistet der Achtzylinder 476 PS (350 kW), im GT 63 steigt die Leistung auf 585 PS (430 kW). Die Mehrleistung wird ausschließlich über die Software herausgeholt und manifestiert sich in überragenden Fahrleistungen: 0-100 km/h in 3,2 versus 3,9 Sekunden, die künstlich abgeregelte Spitze steigt von 295 auf 315 km/h. Auf eine Elektrifizierung verzichtet AMG vollständig. Das spart Gewicht, Komplexität und Kosten – und Fahrer dürfen sich freuen, den offiziellen Zyklusverbrauch (bei beiden Versionen 14,1 Liter pro 100 km) im Gegensatz zu Hybridfahrzeugen nicht nur zu erreichen, sondern mit Leichtigkeit sogar zu unterbieten.

Wer auf den Verbrauch schielt, sollte sich zwar ohnehin ein anderes Auto zulegen, dennoch hoffen die Affalterbacher beim neuen GT auf soziale Akzeptanz, wie sie vor allem in Europa gebieterisch eingefordert wird. Und deshalb ist der „Emotionsstart“, bei dem das Auto beim Startvorgang fröhlich heraustrompetet, buchstäblich sang- und klanglos entfallen.

Ein kleines Opfer, das man in Kauf nimmt – denn wenn die Maschine erst einmal in Aktion getreten ist, entfalten sich Kraft und Emotionen auf das harmonischste. Die mit sage und schreibe neun Gängen wohl ausreichend aufgespreizte Automatik beherrscht sowohl sanft verschliffene Gangwechsel wie das gnadenlose Hineinpeitschen der nächsten Stufe. Der großvolumige Motor tritt bereits bei niedrigen Drehzahlen bärenstark an: Der 63er gibt sein maximales Drehmonent von 800 Newtonmetern auf einem Plateau von 2500 bis 4500 Umdrehungen in der Minute ab. Damit lassen sich Zwischenspurts wie Hochgeschwindigkeitsetappen mit großer Mühelosigkeit absolvieren. Der Achtzylinder klingt selbst im Comfort-Modus sportlich und souverän, vielleicht sogar etwas zu dominant.

Die steifere Struktur und die Fahrwerksmodifikationen manifestieren sich in gegenüber dem SL nochmals sportlicherem Fahrverhalten. Das Auto folgt mühelos dem Dirigat des Fahrers, lädt den Könner dazu ein, in engen Kurven mit dem Gaspedal zu spielen. Das alles bleibt wunderbar leicht beherrschbar. Und natürlich kann man den GT auch ganz defensiv fahren, über lange Strecken und mit jedem Komfort, den ein Mercedes der oberen Kategorie heute bietet. Hinter Fahrer und Beifahrer ist Platz für Gepäck – oder für zwei Mitfahrer, die aber nicht größer als 150 Zentimeter sein sollten. Für Erwachsene ist dort außer auf kürzesten Distanzen kein Platz; wir haben es getestet.

Mit der Verwandtschaft zum SL rückt der Mercedes-AMG GT ein wenig näher ans reguläre Programm, die Entwickler beteuern aber, dass die neue Baureihe dem Vorgänger fahrdynamisch sogar überlegen sein soll. Nach oben hinaus ist noch Raum für Derivate, mit mehr Leistung und vielleicht sogar mit einzigartigem Design und Manufakturcharakter.

Bei den aktuell angebotenen Varianten stellt sich dennoch die Frage nach Alternativen. Da wäre zum Beispiel der etwas sanfter ausgelegte SL, aber auch der bajuwarische Bolide BMW 8er, der mit futuristischem Design und V8-Saugmotor auftrumpfende Lexus LC 500 und natürlich der prototypische Sportwagen, der Porsche 911. Auch mit Ferrari Roma und Bentley Continental konkurriert der GT. Klar ist jedenfalls: Der AMG GT führt die eingangs erwähnte Ahnenreihe überzeugend fort. Der 63er steht mit 188.704 Euro in der Preisliste, der ab Juli 2024 verfügbare 55er dürfte dann rund 30.000 Euro günstiger sein. 

Daten Mercedes-AMG GT 63 4-Matic

Länge x Breite x Höhe (m): 4,73 x 1,98 x 1,25
Radstand (m): 2,70
Antrieb: V8-Turbo, 3982 ccm, AWD, 9-Gang-Aut.
Leistung: 430 kW / 585 PS bei 5500 U/min
Max. Drehmoment: 800 Nm bei 2500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 315 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,2 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 14,1 l/100 km
CO2-Emissionen: 319 g/km
Leergewicht / Zuladung: min. 1970 kg / max. 350 kg
Kofferraumvolumen: 321–675 Liter
Preis: 188.704 Euro

(Quelle: Jens Meiners, cen)

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