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23. Dezember 2023

Praxistest Ford Transit Custom: Mehr Kasten wagen

Nein, es entspricht nicht der Wahrheit, dass Herbert Grönemeyer ein besonderes Faible für Ford hat. „Lebe für den Transit“, knödelte der Barde aus Bochum einst, dabei fährt er in Wirklichkeit lieber Maserati. Dennoch folgen die Leute bei Ford diesem Motto, gründeten eigens eine Submarke mit dem Namen Ford Pro, wohinter sich, ähnlich wie bei Fiat, die gesamte Mannschaft der leichten Nutzfahrzeuge versammelt und dazu gehört eben auch der Transit. Die Zeiten, in denen der wackere Transporter mehrere Hundertschaften der damals so genannten Gastarbeiter in den Werksferien über den gefürchteten Autoput durch das damalige Jugoslawien bis ins wilde Kurdistan beförderte und die Starrache unter dem Wagenheck durch auf dem Dach angeseilte Waschmaschinen, Kühlschränke und Fernseher weit über die Schmerzgrenze hinaus belastet waren, sind aber lange vorbei.

Der Weg führt heute in die andere Richtung. Der Transit wird in der Türkei gebaut. Pikant daran ist, dass die gerade eben erfolgte Neuauflage des Erfolgsmodells in nicht allzu ferner Zukunft sich geringfügig umgestaltet auch unter einem anderen Markenzeichen auf die Reise machen wird. Der VW Transporter basiert als Nachfolger des T6.1 künftig auf dem Transit, wie auch schon der Caddy und der Amarok ihre Pendants als Ranger und Connect bei Ford haben. Der Kölner Kastenwagen war schon in der jüngeren Vergangenheit nach Angaben des Hersteller der meistverkaufte Transporter in Europa. Das wird die nun jüngste Generation ganz sicher auch schaffen.

Der Transit ist formal gelungen. Markant aber nicht zu wuchtig ist die Frontpartie geraten, der Kastenaufbau folgt der Funktion und besticht doch mit schlichter Eleganz. 5,05 Meter lang ist er und gut zwei Meter breit, ohne die Außenspiegel. Mit einer Höhe von 1,98 Meter schlüpft er gerade so in die meisten Parkhäuser, bei einem Leergewicht von 2204 Kilogramm darf er Lasten von bis zu 1,2 Tonnen an Bord nehmen. Die Ladefläche ist bis zu drei Meter lang, durch die serienmäßige Schiebetür auf der linken Seite lassen sich Euro-Paletten einladen, das gelingt auch durch die beiden Flügeltüren am Heck. Auf Wunsch lassen sich die beiden um 180 Grad öffnen, damit der Stapler ganz dicht ranfahren kann. Auf Wunsch wird auch eine zweite Schiebetür eingebaut, die dann auf der rechten Seite öffnet.

Das Fahrerhaus ist zumindest in der hochwertigen Ausstattungsstufe Limited fein möbliert. Der Kunststoff wirkt nicht billig, die Sitzbezüge sind strapazierfähig und kuschelig. Die Schalttafel ziert ein 13 Zoll großer Touchscreen, der als Schnittstelle für Bedienung, Unterhaltung und Wegweisung gut ist. Das alles macht einen sehr ordentlichen Eindruck, nur die kleine Leiste darunter mit ihren vier Direktwahltasten ist gar nicht standhaft und verschwindet fast in der Verkleidung, wenn auf eine der Tasten gedrückt wird. Weitere Funktionen lassen sich vom angenehm kleinen und griffsympathisch bezogenen Lenkrad aus steuern, eine Armlehne macht die Sitzposition am Volant komfortabel.

Motorisiert mit dem 2,0-Liter der mittleren Leistungsstufe und 150 PS ist der Transit Custom munter unterwegs. 175 km/h Spitzentempo sind möglich. Damit der Transporter dabei trotz der neuen und Bauraum sparenden Einzelradaufhängung hinten nicht von der Bahn fliegt, haben die Ford-Mannen vorsichtshalber für die Testfahrt eine eisengefüllte Holzkiste mit rund 1250 Kilogramm Gewicht im Laderaum verzurrt. Die macht Druck auf die Federn und bändigen das Hoppeln, das der Transit unbeladen wohl an den Tag legen würde.

Das serienmäßige Sechs-Gang-Getriebe findet den Weg mit kurzem Hebel richtungssicher durch die Schaltkulisse, alternativ gibt es eine achtstufige Automatik, jedoch nicht für die 150-PS-Variante. Die Bremsen arbeiten sensibel, standfest und mit Nachdruck, die Lenkung gefällt mit hinreichender Direktheit. Für eine gute Übersicht sorgt die Rückfahrkamera, ohnehin ist die Zahl der Helfer an Bord groß. Allerdings ärgert insbesondere der Spurassistent, der auf schmaler Landstraße mit seitlichem Begrenzungstreifen kräftig gegenlenkt. Was bei entgegenkommenden, ebenfalls breiten Fahrzeugen immer wieder zu beschleunigtem Herzschlag führt. Ausschalten lässt sich der unwillkommene Helfer nicht, zumindest war kein Hinweis zu finden, wie das wohl gelingen könnte.

Hilfreicher ist die neue Funktion für den Lieferdienst, die vom Einschalten der Warnblinkanlage über Betätigung der elektrischen Parkbremse bis hin zum Verriegeln des Wagens jeden Handgriff übernimmt. Das spart dem Fahrer jedes Mal rund zehn Sekunden, was sich bei den üblichen Längen der Liefertouren zu einem erheblichen Zeitgewinn addiert. Auch das Lenkrad bietet dem Fahrer ein Extra. Auf Knopfdruck stellt es sich waagerecht ein und wird so zum Tisch fürs Tablet oder die Butterbemme zum Frühstück.

Der Transit Custom ist ebenso wie sein bestuhlter Kombi-Kollege Tourneo in allen Dimensionen gewachsen und das gilt auch für den Preis. Die von uns gefahrene Version kommt auf 50.218 Euro, mit einigen Extras steigt der Preis auf 56.734 Euro, jeweils einschließlich Mehrwertsteuer. Da müssen im Gewerbe die Räder schon ziemlich lange rollen, bis sich der Packesel amortisiert hat. 

Daten Ford Transit Custom 110 kW

Länge x Breite x Höhe (m): 5,05 x 2,03 x 1,98
Radstand (m): 3,10
Antrieb: R4-Diesel, 1996 ccm, FWD, 6-Gang-Getriebe
Leistung: 110 kW (150 PS) bei 3500 U/min
Max. Drehmoment: 360 Nm bei 1500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 13,6 Sek.
Testverbrauch: 8,5 Liter
Tankinhalt: 55 Liter
Leergewicht / Zuladung: min. 2204 kg / max. 1225 kg
Anhängelast: 2500 kg
Kofferraumvolumen: 5800 Liter
Preis: 50.218 Euro
Testwagenpreis: 56.734 Euro

 

(Quelle: Michael Kirchberger, cen)


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