Zum Hauptinhalt springen Zur Fußzeile springen

17. November 2023

Praxistest Jeep Avenger: Botschafter des neuen Zeitalters

Man nehme ein markentypisches Design, schrumpfe die Karosserie ein wenig und setze sie auf die Elektroplattform des Stellantis-Konzerns: Mit dem markigen Modellnamen Avenger (engl. = Rächer) tritt der erste batteriebetriebene Jeep an. In den Augen von Automobilenthusiasten mag das ein Frevel sein, aber die Zeiten stehen nun einmal auf Strom.

Die Jury zur Wahl von Europas Auto des Jahres hat der Jeep Avenger jedenfalls schon einmal überzeugt. Sie kürten ihn zum Sieger 2023. Und es gab eine Reihe weiterer Auszeichnung, so zum Beispiel „Bestes Familien-SUV“ bei Women’s World Car of the Year. Als SUV würden wir den kleinen Jeep zwar nicht bezeichnen, sondern ihn eher als Crossover einstufen, aber da verwischt die schreibende Zunft ja eh schon seit Jahren die Grenzen. Trotz seiner Herkunft ist der Avenger kein Allradfahrzeug. Fahrprogramme wie „Sand“, „Schlamm“ und „Schnee“ weisen ihn aber immerhin als echtes Familienmitglied aus.

Angetrieben wird der in Italien gebaute kleinste Jeep vom stärkeren der beiden Stellantis-E-Motoren mit 115 kW und 260 Newtonmetern Drehmoment. Das ist für das Leergewicht von 1,6 Tonnen allemal ausreichend. Der Jeep Avenger erfreut vor allem durch sein komfortables Fahrwerk. Im „Eco“-Modus gibt er sich spürbar verhaltener, aber natürlich reicht die Leistung dann immer noch für den Alltag völlig aus.

Bei zu 95 Prozent geladener Batterie versprach uns der Testwagen 370 Kilometer Reichweite. Bei zwölf Prozent Restkapazität erfolgt in der Instrumentenanzeige die rote Warnung „Batteriezustand niedrig“. Da zeigte der Bordcomputer noch 42 Kilometer Aktionsradius an. Aber auch der Avenger konnte, wie viele andere von uns gefahrene E-Modelle, an der Schnellladesäule nicht sein volles Potenzial ausschöpfen. Statt der möglichen 100 Kilowatt gab das Stromnetz maximal 80 kW ab. Dennoch reichte es, um den Akku binnen einer halben Stunde wieder auf die empfohlenen 80 Prozent zu bringen. Die Reichweite stieg in dieser Zeit von 42 auf 320 Kilometer.

Der Avenger bietet vorne ausreichend Platz, eine über mehr als die halbe Fahrzeugbreite reichende offene Ablagefläche alter Schule auf der Beifahrerseite und ein großes Fach in der Mittelkonsole, dessen magnetische Abdeckung in drei Abschnitte unterteilt ist und sich tabletartig aufklappen lässt. Das ist zwar schick, aber nicht wirklich praktisch. Das Volumen aller Ablagefächer im Fahrgastraum summiert sich auf 34 Liter. Ebenfalls schön anzusehen ist das farbige Dashbord, bis auf das Lederlenkrad herrscht ansonsten aber vor allem Plastik.

Das Raumangebot im Fond ist nicht ganz so großzügig und kann es auch gar nicht sein. Es handelt sich bei diesem Jeep mit 4,08 Metern Fahrzeuglänge schließlich um einen Kleinwagen. Ausstattung und Fahrkomfort sowie die aufpreispflichtigen 18-Zoll-Räder unseres Exemplars lassen das gerne vergessen. Wer die Beine hinten etwas lang macht, stößt mit den Füßen unter den Vordersitzen gegen eine Stufe. Und die Rücksitzlehnen klappen nur dann zu einer halbwegs ebenen Ladefläche um, wenn sich die Kopfstützen in der obersten Position befinden. Mit 355 Litern Standardvolumen gibt es aber mehr Gepäckraum als im Segment üblich.

Angenehm ist die Verkehrszeichenerkennung, die dem Abstandsregeltempomaten die Übernahme des angezeigten Tempolimits per „Okay“-Taste am Lenkrad anbietet. Der Spurwechselwarner wiederum reagiert nach getaner Arbeit etwas träge, blinkt für unseren Geschmack ein wenig zu lange nach und setzt häufig noch einen nicht mehr nötigen Lenkimpuls. Apropos Blinken: Der Fahrtrichtungsanzeiger fällt akustisch durch einen Zweiton auf, dessen Klopfen ein wenig an ein paar Dutzend beats per minute erinnert.

Unsere Testverbräuche von 18,2 bis 18,5 Kilowattstunden gehen angesichts eines hohen Autobahnanteils in Ordnung. Nur an die fiat-typische Art, den Fahrrichtungswählhebel als Bedienleiste mit vier Tasten (P, R, N, D/B) auszulegen, mögen wir uns immer noch nicht so recht gewöhnen. By the way: Die nur einstufig einstellbare Rekuperation fällt eher bescheiden aus und verleitet nicht zum One-Pedal-Fahren.

Keine Frage, der Jeep Avenger punktet mit dem markentypischen Styling, guter Ausstattung und hohem Fahrkomfort. Dennoch bleibt er ein Kleinwagen, der ohne den E-Bonus mindestens 37.000 Euro kostet. Im Fall der von uns gefahrenen Aussatttung Altitude+ kommen noch einmal 5000 Euro oben drauf, die ein Zoll größeren Räder als Extra nicht mit gerechnet. Dafür ist dieser Amerikaner aber auch Made in Europe. Nur einen Reim auf die doch recht martialische Modellbezeichnung muss sich jeder selbst machen. Intruder (Eindringling) oder Challenger (Herausforderer) sind aber nun ja auch schon einmal vergeben. Pioneer oder Messenger (Bote, Botschafter) hätten wir da noch anzubieten gehabt... 

Daten Jeep Avenger Altitude+

Länge x Breite x Höhe (m): 4,08 x 1,80 x 1,53
Radstand (m): 2,56
Antrieb: Elektromotor FWD, 1-Gang-Aut.
Leistung: 115 kW / 156 PS
Max. Drehmoment: 260 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 9,0 Sek.
WLTP-Reichweite: ca. 400 km
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 15,9 kWh/100 km
Batterie: 51 kWh (netto)
Ladeleistung: bis zu 100 kW
Leergewicht / Zuladung: 1595 kg / 420 kg
Kofferraumvolumen: 355–1250 Liter
Basispreis: 42.000 Euro

(Quelle: Jens Riedel, cen)


Mehr Beiträge zum Hersteller Jeep