28. August 2025
Praxistest Kia EV 6 GT: Spitzensportler und Schnellllader
Die koreanische Marke hat den Spitzensportler jüngst aufgefrischt und die GT-Variante verbessert. Gleichzeitig wurde der Preis um rund 3000 Euro auf 69.990 Euro gesenkt, so dass der 4,7 Meter lange Viertürer nun in das Steuerraster von Firmenwagen passt. Formal wurde am Detail gearbeitet, es bleibt jedoch grundsätzlich an der langen, gestreckten Form mit der aggressiven Frontpartie.
Vorne finden sich gute Platzverhältnisse für Fahrer und Beifahrer, die Sitze sind elektrisch verstellbar. Hinten geht es etwas knapper zu, für drei Passagiere ist die Rückbank eher nicht ausgelegt. Wenn die Vorderleute jedoch nicht zu hünenhaft Maße haben und ihre Sessel ganz nach hinten fahren lassen, bleibt im Fond ordentlich Raum für Knie und Füße. Auch bei Gepäcktransport muss der GT nicht kneifen, wenigsten 480 Liter passen in den Kofferraum. Das Umklappen der hinteren Lehnen steigert das Volumen nur mäßig, aufgrund des flachen Hecks können dann 1250 Liter eingeladen werden.
Bei der Zuladung könnte es unterdessen eng werden: Wer die Ladekapazität voll ausschöpft und obendrein einen Anhänger ins Schlepp nimmt, der maximal stattliche 1800 Kilogramm wiegen darf und mit höchstens 100 Kilogramm Stützlast auf den Kugelkopf der Anhängerkupplung drückt, erreicht schnell die Grenzen der erlaubten 440 Kilogramm. Ohnehin ist der GT systembedingt kein Leichtgewicht. Fast 2,3 Tonnen bringt er unbeladen auf die Waage, aber keine Sorge, auch bei voller Zuladung reicht der Führerschein der Klasse B noch aus.
Beim Antrieb hat Kia dem GT den Lounge-Modus spendiert, der die vorhandene Leistung von 448 kW (609 PS) auf nun 478 kW (650 PS) erhöht. Das verleiht dem Elektrosportler ein beeindruckendes Potenzial. In 3,5 Sekunden sprintet der starke EV 6 von 0 auf 100 km/h, das schaffen nur wenige Kollegen mit Verbrennungsmotoren und selbst in der Riege der Hochleistungsmotorräder ist der Kreis der ernsthaften Konkurrenten klein. In der Praxis fühlt sich das an, als würde der Fahrer in die Landschaft geschossen werden, fast so, als würde Raumschiff Enterprise zum Sprung in den Hyperraum ansetzten und das Sternenlicht zu Leuchtstreifen werden. 260 km/h Spitze sind möglich und es dauert gar nicht mal übermäßig lange, bis der Kia sein Höchsttempo erreicht hat. Dabei lässt er nicht nur viele andere hinter sich, sondern auch seinen WLTP-Durchschnittsverbrauch, den der Hersteller mit 20,9 kWh angibt. Also schnell den Fuß vom Pedal, bei moderater Fahrt mit Tempo zwischen 120 und 140 sind Reichweiten von gut 400 Kilometer zu schaffen.
Geht der Stromvorrat zur Neige, ist das weiß Gott kein Drama, denn der EV 6 GT ist mit der verheißungsvollen 800-Volt-Technik ausgerüstet. Das heißt, er kann seinen Akku bei gleichzeitig geringeren Kabelquerschnitten und den damit einhergehenden Gewichtseinsparungen in Windeseile füllen. 15 Minuten genügen, dann ist die Batterie an einer 300-kW-Säule wieder auf mindestens 80 Prozent ihrer Kapazität gebracht, danach nimmt die Ladeleistung naturgemäß ab und es vergeht vergleichsweise viel Zeit bis zur 100-Prozent-Marke. Aber 15 Minuten sind ein akzeptabler Zeitraum, in dem kurz die E-Mails gecheckt und zwei Anrufe erledigt werden können.
Der Kia zeigt sich auf der Landstraße überaus agil und handlich. Hohe Kurvengeschwindigkeiten sind möglich, die Kursgenauigkeit hoch, das Fahrverhalten unkritisch, aber dynamisch. Vielleicht liegt es an den verschiedenen Karosserieverstärkungen, die der Hersteller beim Facelift in die Produktion einfließen ließ.
Traktionsprobleme hat der elektrische Koreaner nicht, zwei E-Maschinen, eine an der vorderen, eine an der hinteren Achse arbeiten in perfekter Eintracht miteinander und machen den GT zum Allradler. Der Abrollkomfort der mächtigen Reifengröße 255/35 R19 ist bescheiden, der guten Straßenlage kommt sie allerdings entgegen. Auch der Bremsweg ist verglichen mit dem Vorgängermodell um ein gutes Stück kürzer geworden. Gleichwohl hält sich der Fahrkomfort auf schlechter Fahrbahn in Grenzen, auch in der Stadt erreicht der GT mit einem Wendekreis 11,9 Meter kein volle Punktzahl. Immerhin funktionieren die elektronischen Helfer und Kameras rundum, das Rangieren kontaktlos zu erledigen.
Alle maßgeblichen Assistenzsysteme sind an Bord, die Bevormundung der Tempowarnung lässt sich ebenso abstellen wie die übermäßig eingreifende Spurkontrolle. Das gelingt per Knopfdruck am formschönen und mit grellgelbem Kontraststreifen verschönerten Multifunktions-Lenkrad. Der 12,3 Zoll große Monitor ist Kern der Bedienungseinheit, die meisten Handgriffe fallen leicht und die Schaltflächen des Touchpads sind ausreichend groß. Dennoch wünschten wir uns einige Knöpfe und Drehsteller mehr, um Basisfunktionen schneller und ohne Umwege kontrollieren zu können.
Kia zeigt mit dem EV 6 GT, was bei der Elektromobilität heute schnörkellos möglich ist, setzt aber mit überbordender Leistung und dem absolut betrachtet hohen Preis die Schwelle weit nach oben. Eine Preissenkung würden wir daher gerne auch beim kleineren EV 3 begrüßen, der für 35.990 Euro nur etwa ein Drittel der Leistung des EV 6 GT anbietet, aber trotzdem deutlich mehr als die Hälfte dessen Kaufpreises kostet. Damit könnten auch hartherzige Elektrogegner auf den Geschmack gebracht werden.
Daten Kia EV 6 GT
Länge x Breite x Höhe (m): 4,70 x 1,89 x 1,55
Radstand (m): 2,90
Antrieb: 2 E-Motoren, 1-Gang-Getriebe, AWD
Leistung: 478 kW / 650 PS
Max. Drehmoment: 770 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,5 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 20,9 kWh
Batteriekapazität: 84 kWh
WLTP-Reichweite: 450 km
Leergewicht / Zuladung: min. 2295 kg / max. 440 kg
Wendekreis (m): 11,9
Kofferraumvolumen: 480–1250 Liter
Max. Anhängelast: 1800 kg
Basispreis: 69.990 Euro
(Quelle: Michael Kirchberger, cen)