28. November 2025
Praxistest Fiat Grande Panda Electric: Die tolle Kiste kommt groß raus
Der Fiat teilt sich die Plattform mit dem Citroën C3 und dem Opel Corsa, wirkt aber trotz geringerer Länge deutlich größer als die beiden. Was hauptsächlich an der Betonung der Kanten und der Höhe liegt. Marken- und Modellname sind ins Karosserieblech geprägt, das bedarf keiner gehobenen Aufmerksamkeit. Dass jedoch die spitzen Winkel an den Ecken der Klarsichtrückleuchten die Gnade der Zulassungsbehörden gefunden haben, überrascht. Zumindest möchte man keine nähere Bekanntschaft mit ihnen machen.
Innen schwelgt der Grande Panda in Nostalgie. Das Display wird von einer Rundstrecke eingerahmt, die der Fahrbahn auf den Dach der alten Fiat-Werk im Turiner Stadtteil Lingotto nachempfunden wurde. Wer zweifelt, muss nur nach dem kleinen Panda suchen, der im Maßstab von etwa 1:36 gerade in die nördliche Steilkurve einfährt. Transparentes Gelb verschönert die Schalttafel, zwei Handschuhfächer geben Accessoires eine Heimat, auf der Mittelkonsole sind die Taste der elektrischen Feststellbremse und der Wahlschalter der Fahrtrichtung untergebracht.
Eine Fach für den Schlüssel der Funkfernentriegelung braucht es nicht, denn der muss wie früher in ein Zündschloss gesteckt und gedreht werden, um den elektrischen Antrieb zu starten.
Die Sitze sind weich gepolstert und bieten angemessenen Seitenhalt. Ein- und Aussteigen fällt dank der vergleichsweise hohen Sitzposition sehr leicht. Da lässt sich der Verzicht auf Dachgriffe verschmerzen. Das Raumangebot ist vorne gut, hinten sitzen mittelgroße Kerle noch anständig, sofern der ungeliebte Mittelplatz unbelegt bleibt. In den Kofferraum passen wenigstens 361 Liter. Nach dem Umklappen der Rücksitzlehnen steigt das Transportvermögen auf 1315 Liter, was rund 50 Liter weniger sind als bei den Benziner- oder Hybridmodellen. Der Akku fordert eben seinen Tribut. Das ist keine wirkliche Einschränkungen, wohl aber, dass Fiat die Kofferraumbeleuchtung einfach mal weggelassen hat. Wer nachts auf Tour geht und vielleicht auch noch das mitgelieferte, im Kofferraum liegende Ladekabel benutzen möchte, sollte unbedingt eine Stirnlampe ins Gepäck legen.
320 Kilometer Reichweite seien möglich, sagt Fiat. Die hätten wir aufgrund winterlicher Temperaturen unter aller Anstrengung nicht geschafft. Schon gar nicht, wenn die Fahrt über Land geht und die auf 132 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit genutzt werden soll. Aber selbst in der Stadt, vor allem wenn Heizung und Beleuchtung am Volumen der 44 kWh speichernden Batterie zehren, sind 300 Kilometer Reichweite ein Traumziel. Trotz verhaltener Fahrweise waren wir mit einem Verbrauch von etwa 18 kWh auf 100 Kilometer unterwegs und konnten Ziele ohne Nachladung in rund 250 Kilometer Entfernung erreichen.
Der Stopp an der Ladesäule dauert eine Weile, denn mit mehr als 86 kW, die deutlich unter den versprochenen 100 kW liegen, konnten wird den Akku nicht auftanken. Eine gute halbe Stunde sollte eingeplant werden, wenn die Batterie wieder auf 80 Prozent gebracht werden soll. An der Haushaltssteckdose mit 230 Volt und 10-Ah-Absicherung dauert der Vorgang etwa 22 Stunden. Dafür scharrt die tolle Kiste mit den Hufen, wenn es endlich losgeht.
Auf den ersten Metern zumindest ist das Beschleunigungsvermögen sehr ausgeprägt, was in der Stadt andere stets überrascht. Jenseits von 50 km/h wird der Vorwärtsdrang dann zäher und die 100-km/h-Marke erst nach 11,5 Sekunden erreicht. Schlanke 122 Newtonmeter Drehmoment und 83 kW Leistung liefert der Elektromotor, das ist deutlich weniger als die Verbrenner-Kollegen schaffen. Damit müssen mindestens 1532 Kilogramm angeschoben werden, was eine herausfordernde Aufgabe ist. Aus gutem Grund ist die Anhängelast, gleich ob gebremst oder ungebremst, auf 550 Kilogramm begrenzt.
Fahren lässt sich der große Bär völlig entspannt, Die Karosserie ist übersichtlich, statt einer Rückfahrkamera gibt es nur eine visuelle und akustische Warnung. Angenehm ist der geringe Wendekreis von rund 10,8 Metern, mit dem der Grande Panda schon auf dem Weg zum Kartgefühl eines Mini ist. Die Lenkung spielt mit guter Servounterstützung mit, gibt aber zuverlässige Rückmeldungen über den Traktionszustand. Die Federung bleibt angenehm sanft und lässt schon mal Karosserieneigungen zu. Die Rekuperationsstufen lassen sich nicht verändern, gleichwohl verzögert der Wagen nach dem Stopp der Energiezufuhr recht beachtlich.
Der Grande Panda ist als Elektriker keine schlechte Wahl für alle, die meist auf der Kurzstrecke unterwegs sind, ständige S-Bahn-Verspätungen als Pendler egalisieren und nicht zu tief in die Tasche greifen wollen. Den feschen Fiat kauft man von der Stange, außer der Lackierung gibt es keine Möglichkeiten der Individualisierung. Wünsche nach einem Navigationssystem oder Abstandregeltempomat bleiben unerfüllt. Der ordentliche Schuss an Nostalgie beim Design kann fehlende Reichweite nicht ersetzen, könnte dennoch Fans des Ur-Panda überzeugen.
Auch den gab es übrigens in den 1990ern bereits als Elektriker. Allerdings machten ihn die zwölf Blei-Gel-Akkus mit sechs Volt Spannung zum Schwergewicht mit 1240 Kilogramm. In erster Linie wurde er von italienischen Kommunen gefahren, soll angeblich im Stadtverkehr bis zu 70 Kilometer Reichweite geschafft haben. Da hat der große Panda doch ordentlich nachgelegt.
Daten Fiat Grande Panda Electric Red
Länge x Breite x Höhe (m): 3,99 x 1,76 x 1,58
Radstand (m): 2,54
Antrieb: Elektromotor, Automatik, Frontantrieb
Leistung: 113 PS (83 kW)
Max. Drehmoment: 122 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 132 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 11,5 Sek.
Durchschnittsverbrauch (WLTP): 16,8 kWh
Batteriekapazität: 44 kWh
Reichweite: 320 km
Testverbrauch: 18 kWh
Leergewicht / Zuladung: min. 1532 kg / max. 453 kg
Anhängelast: 550 kg
Kofferraumvolumen: 361–1315 Liter
Preis: 24.990 Euro
(Quelle: Michael Kirchberger, cen)