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06. Januar 2024

Praxistest Jaguar I-Pace: Der Vorreiter steht vor der Rente

Jaguar und Elektroantrieb – das klingt irgendwie nach veganer Metzgerei – doch die Wende zu einer vermeintlich CO2-freien Mobilität zwingt auch den traditionsreichen britischen Hersteller sportlicher Limousinen, Coupés und Roadster auf einen neuen Kurs. Erster Vertreter der elektrischen Epoche war und ist der Jaguar I-Pace, der in der Hülle eines Crossovers bereits vor fünf Jahren die neue Zeit einläutete.

Dass es die Briten ernst meinen mit dem Wechsel zur E-Mobilität zeigt auch ihr Engagement in der Formel E, und die Pläne sehen vor, dass vom kommenden Jahr an die komplette Modellpalette auf E-Antrieb umgestellt wird. Bereits Ende des Jahres soll ein erstes Modell auf der neuen Elektroarchitektur vorgestellt werden. Zwei weitere Modelle werden wahrscheinlich später folgen.

Der I-Pace, bei seiner Vorstellung vor sechs Jahren das erste langstreckentaugliche Elektro-Premiummodell wird dann allerdings nicht mehr im Programm auftauchen. Der Pionier wird also in Rente geschickt, Grund genug noch einmal mit dem Crossover auf Tour zu gehen. Den Designern gelang das Kunststück, die typischen SUV-Eigenschaften so zu reduzieren, dass der I-Pace wesentlich sportlicher wirkt als der Rest seiner Konkurrenten. Tatsächlich ist der 4,70 Meter lange Jaguar nur wenig höher als eine klassische Limousine. Dank dieses Designs erreicht der I-Pace eine sportliche Silhouette, was allerdings für die im Fond sitzenden Passagiere nur eine eingeschränkte Kopffreiheit zur Folge hat.

Im Innenraum herrschen auch dank der Breite (2,14 Meter) ansonsten großzügige Platzverhältnisse, und die sauber verarbeiteten hochwertigen Materialien entsprechen den Erwartungen, die an die Marke geknüpft sind. Die flache Silhouette hat allerdings auch ihre Nachteile. Der Blick nach hinten ist stark eingeschränkte, sodass der Mensch hinter dem Lenkrad für die Rückfahrkamera dankbar ist. Auch das vordere Ende des I-Pace kann allenfalls erahnt werden, und der große Wendekreis von 12,75 Metern stört beim Rangieren. Der Raum für das Gepäck im Heck erreicht mit 505 Litern ausreichende Dimensionen. Das Volumen lässt sich bei umgeklappten Rücksitzen auf maximal 1453 Liter steigern.

Der Mensch hinter dem Lenkrad blickt auf eine aufgeräumte Instrumentensammlung und einen zentralen Bildschirm, über den die verschiedenen Einstellungen erreicht werden. Allerdings ist die Suche nach der gerade gewünschten Funktion nicht immer leicht, wenn der Weg zum Ziel über die Lenkradtasten durch zu viele Untermenüs führt. Ein paar Schalter mehr wären hier hilfreicher als das Vertrauen in die digitalen Möglichkeiten. Zumal sich die Logik hinter den Schritten nicht immer erklärt.

Den Insassen spendiert Jaguar angenehme Sitze mit ausreichend Seitenhalt, und auch das Lenkrad lässt sich elektrisch auf die individuellen Bedürfnisse einstellen. Gestartet wird der I-Pace über einen Starterknopf, und einmal in Fahrt zeigt der elektrische Jaguar dank der 294 kW seiner beiden Antriebe, dass er die klassischen Eigenschaften der Marke ins elektrische Zeitalter übernommen hat. In weniger als fünf Sekunden ist Tempo 100 erreicht, und die beiden Elektromotoren an der Vorder- und Hinterachse erzeugen eine hervorragende Traktion, sodass auch schnelle Kurvenfahrten problemlos gelingen. Auch bei höheren Geschwindigkeiten und beim Wechsel auf die Fahreinstellung Sport legt der Jaguar los, wie es die Kundschaft von einem Modell der Marke erwartet. Bei Tempo 200 km/h wird der Vorwärtsdrang abgeregelt, um den Energieverbrauch zu zügeln. Jaguar verspricht 25,2 kWh auf 100 Kilometer. Bei entsprechender Fahrweise ist dieser Wert durchaus erreichbar. Das ändert sich, wenn die Einstellung Sport gewählt wird – dann meldet der Bordcomputer deutlich höhere Werte.

Auch beim Fahrverhalten zeigt der elektrische Jaguar seine Herkunft und kombiniert Dynamik und Komfort zu einer gelungenen Mischung. Die Lenkung setzt die Befehle des Chauffeurs direkt um, das Fahrwerk verschweigt den Insassen die Sünden der Infrastruktur fast vollständig. Gleichzeitig gehört der I-Pace zu den leisen Vertretern seiner Art. Erst jenseits von 130 km/h machen sich die akustischen Begleiter bemerkbar, ohne allerdings zu stören.

Als Reichweite verspricht Jaguar für den I-Pace 470 Kilometer, gemessen nach der WLTP-Methode, die sich in der Praxis allerdings auf rund 370 Kilometer reduzieren. An einer Schnellladestation speichert der 90 kWh starke Akku in 15 Minuten Energie für 127 Kilometer.

Schade, dass sich der I-Pace von der automobilen Bühne verabschiedet. Zeigt der erste vollelektrische Jaguar doch, dass sich E-Mobilität mit den Werten der Marke vereinbaren lassen – freilich zu einem recht hohen Preis: Die Preisliste für den I-Pace beginnt bei 92.400 Euro für den I-Pace EV 400 R-Dynamic SE. 

Daten Jaguar I-Pace

Länge x Breite x Höhe (m): 4,67 x 1,56 x 2,14
Radstand (m): 2,99
Antrieb: zwei E-Motoren, AWD
Gesamtleistung: 294 kW / 400 PS
Max. Drehmoment: 696 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,8 Sek.
WLTP-Normreichweite: 469 km
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 22,1–25,2 kWh
Leergewicht/ Zuladung: min. 2226 kg / max. 444 kg
Preis: 92.400 Euro

(Quelle: Walther Wuttke, cen)


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