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30. Mai 2021

Praxistest Audi S3 Limousine: Zwischen Heißsporn und Hausfreund

Limousinen sind doch was für Spießer! Wenn sie knallrot lackiert sind, 310 PS unter der Haube, eine große, schwarze Kühlerschnauze sowie eine vierflutige Abgasanlage samt Diffusor am Heck tragen, sieht die Sache allerdings schon wieder anders aus. Der Audi S3 Limousine jedenfalls gelingt dieser Spagat zwischen Hausfreund und Heißsporn problemlos – wäre da nicht doch die eine oder andere Nachlässigkeit, die das harmonische Bild trübt.

Schon der erste Anblick setzt Emotionen frei, positive oder negative bleibt jedem selbst überlassen. Tatsache ist, dass die viertürige Limousine ins Auge fällt. Nicht nur wegen ihrer Lackierung in „Tangorot Metallic“, die 700 Euro extra kostet. Auch die coupéähnliche Karosserieform, der schwarze Singleframe-Grill mit großen Rauten, flankiert von ebensolchen Lufteinlässen, die coupéhafte Dachlinie sowie der schwarz abgesetzte Carbon-Spoiler auf der Heckklappe samt Diffusor suggerieren Sportlichkeit. Die stark konturierten Seitenansichten mit konkav geschnittenen Flanken betonen die Radhäuser vorne wie hinten. Elegant und edel hingegen erscheinen die zackigen LED-Scheinwerfer mit ihrer auffälligen Tagfahrlicht-Signatur aus 15 LED-Elementen. Eine Augenweide sind auch die glanzgedrehten 19-Zoll-Alufelgen in Titangrau matt, für die Audi allerdings nochmal 1800 Euro extra verlangt.

Das dynamische Ambiente setzt sich im Innenraum fort. Fahrer und Beifahrer erwartet das vertraute Bild eines gediegenen Interieurs mit qualitativ fühlbar hochwertigen Materialien und Oberflächen, perfekt verarbeitet und aufgepeppt durch serienmäßige Alu-Optik für Tasten, Umrandungen und Einstiegsleisten, Dekoreinlagen in schwarzer Glasoptik sowie dunkelgraue Aluminium-Blenden. Passgenau geschnitten sind auch die Sitze in Integral-Optik, deren dick gepolsterte Seitenwangen auch bei schnellerer Kurvenfahrt stabilen Seitenhalt geben, sich aber auch beim Kilometerfressen auf der Autobahn wunderbar bequem zeigen. Hinten sitzt es sich ebenfalls recht gut trotz des kleinen Türausschnitts und der abfallenden Dachlinie, die den Schulterblick des Fahrers ordentlich einschränkt.

Jeder Tritt aufs Pedal ein Statement

Und doch täuscht der Anschein des Topsportlers. Sicher, der im VW-Konzern vielfältig eingesetzte 2-Liter-Turbovierzylinder ist auch im S3 auf Knopfdruck hellwach und bietet vom ersten Kilometer an Freude am Fahren. Mit seinen 310 PS (228 kW) und den kräftigen 400 Newtonmeter Drehmoment, die er ansatzlos und konstant zwischen zwei- und weit über fünftausend Touren hält, ist jeder Tritt aufs Pedal ein Statement, das sich im schnellsten Fall mit Beschleunigungsarien unter fünf Sekunden offenbart. Das S-tronic-Doppelkupplungsgetriebe trifft dazu wie von Geisterhand stets die richtige Gangwahl. Wer glaubt, es besser zu können, kann mit den Schalttasten am Lenkrad selbst Hand anlegen – lässt das aber wegen Ineffizienz nach kurzer Zeit wieder.

Die serienmäßige Progressivlenkung arbeitet ebenfalls direkt und präzise, auch wenn es ein wenig Übung braucht, bis man für gleichmäßige Kurvenradien den richtigen Dreh am Lenkrad raus hat. Andererseits ist sie aber auch nicht so spitz kalibriert, dass man bei jeder unachtsamen Handbewegung nachjustieren muss. Über die Fahrprofilauswahl Drive Select schließlich findet jeder sein persönliches Setup für Motorsteuerung, Lenkung und adaptive Dämpfer (760 Euro Aufpreis). Was man vielleicht vermeiden sollte, ist die Sport-Taste. Dann werden die Gänge höher gezogen und der Motor röhrt künstlich verhalten vor sich hin, bis man dem albernen Treiben schon bald ein Ende setzt.

Denn bei aller sportlichen Attitüde und Power ist die S3 Limousine doch vor allem ein laufruhiger und zuverlässiger Begleiter im automobilen Alltag, der mit logischer und intuitiver Funktionalität überzeugt. Sowohl Anordnung und Bedienung der Armaturen als auch das digitale Kombiinstrument mit 12,3-Zoll-Farbdisplay in HD-Qualität (Serie: 10,25 Zoll) gehört in Kombination mit dem Multifunktionslenkrad zu dem Besten und Stimmigsten, was zurzeit auf dem Markt zu haben ist. Die Bedienung gelingt auf Anhieb, entweder durch Tippen der entsprechenden Tasten und animierten Kacheln oder durch Spracheingabe. Vorausgesetzt, man legt noch ein paar Extra-Euro (1790 Euro) drauf, bekommt man dazu mit dem Infotainment-System MMI Navigation plus inklusive 10,1-Zoll-Touchscreen in brillanter Darstellung eine multimediale Kommunikationszentrale, die in ihrer intuitiven Bedienlogik ebenso ihresgleichen sucht.

Wo ist die Tankanzeige?

Umso mehr stört dann die eine oder andere Nickligkeit das perfekte Bild. Wo zum Beispiel ist die Tankanzeige, könnte man in Anlehnung an einer der populärsten Audi-Werbeclips fragen? Zwar wird im digitalen Kombidisplay stets die Reichweite angezeigt, doch die ist ja nun sehr variabel, abhängig vom zuletzt gefahrenen Profil. Für den intuitiveren, weil gelernten Blick auf den Teilstrich hingegen muss erst im Menü geblättert werden, bis der „Füllstand“ angezeigt wird. Auch von den mickrigen 325 Liter Kofferraumvolumen, die nicht mal Polo-Niveau erreichen, wollen wir gar nicht reden. Und warum eine knapp 50.000-Euro-Limousine bei der coupéähnlich schlechten Sicht nach hinten serienmäßig statt einer Rückfahrkamera (410 Euro) nur Pieper plus schematischer Darstellung als Einparkhilfe an Bord hat, scheint wohl der bekannt ausufernden Audi-Aufpreispolitik geschuldet.

Womit wir bei einem weiteren Wermutstropfen wären. Die Audi S3 Limousine kostet ab 48.900 Euro noch einmal 900 Euro mehr als das Schrägheckmodell, mit dem sie sich Vorderwagen, Technik und Ausstattung teilt. Zwar sind darin neben der erwähnten Progressivlenkung, Allradantrieb und Sportfahrwerk Extras wie LED-Scheinwerfer, 2-Zonen-Klimaautomatik, Akustikverglasung enthalten. Doch die Optionsliste bleibt lang und sowohl Basics wie Sitzheizung (340 Euro), elektrisch einstellbarer Fahrersitz (385 Euro), automatisch abblendender Innenspiegel (160 Euro) sowie eine im Verhältnis 40:20:40 umklappbare Rücksitzlehne (200 Euro) als auch Premiumfeatures wie Matrix-Licht (700 Euro), Virtual Cockpit (420 Euro), Head-up-Display (800 Euro) sowie viele Assistenten (Fernlicht, Spurwechsel, Querverkehr, Abstandstempomat, Verkehrszeichenerkennung, 2880 Euro) müssen beim vorläufigen Topmodell der Baureihe extra bezahlt werden, was unseren Testwagen nach eigenen Berechnungen locker über die 60.000 Euro springen ließ.

Fazit: Der Audi S3 ist bei aller entsprechenden Aufmachung sicher kein Sportwagen, aber ein alltagstauglicher Sportler, mit dem man – wenn man es drauf anlegt – sehr schnell und lange unterwegs sein kann. Aber auch sicher. Und leise. Und komfortabel. Wie es sich für einen heißspornigen Hausfreund so gehört. 

Daten Audi S3 Limousine TFSI

Länge x Breite x Höhe (m): 4,50 x 1,82 x 1,42
Radstand (m): 2,63
Motor: R4-Turbobenziner, 1984 ccm, Direkteinspritzer
Getriebe: 7-Gang-Doppelkupplung S tronic
Antriebsart: Allradantrieb
Leistung: 228 kW/310 PS bei 5450-6500 U/min
Max. Drehmoment: 400 Nm bei 2000–5450 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,8 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 7,3-7,2 Liter
CO2-Emissionen: 166-165 g/km (Euro 6d-ISC-FCM)
Effizienzklasse: D
Testverbrauch: 8,2 Liter
Leergewicht / Zuladung: 1580 kg / 445 kg
Kofferraumvolumen: 325 Liter
Max. Anhängelast: 2000 kg
Tankvolumen: 55 l
Wendekreis: 11,1 m
Reifen: 235/35 R19
Basispreis: 48.900 Euro
Testwagenpreis: ca. 60.700 Euro

(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)


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