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27. März 2022

Praxistest Land Rover Defender 90: Einer wie keiner

Seit über 70 Jahren zählt der Land Rover Defender zu einer Ikone unter den Geländewagen und besitzt eine eingefleischte Fangemeinde. Nicht ohne Grund, denn im Gegensatz zu vielen SUV verfügt der englische Klassiker über kaufentscheidende Merkmale, die allenfalls noch ein Jeep Wrangler oder etwa die Mercedes G-Klasse beherrschen. Schließlich ist die britische Automobillegende ein Allradler durch und durch und auf maximale Offroad-Eigenschaften getrimmt.

Dabei ist es egal, ob gerade knietiefer Schlamm, sperriges Gehölz oder Wasser den Weg versperren, für einen Defender sind das keine unüberwindbaren Hindernisse. Seit Generationen wühlt er sich durch schwerstes Dickicht und nimmt auch anspruchsvollen Bergen und Hängen ihren Schrecken. 2016 war jedoch zunächst Schluss. Der „Landy“ zählte zum alten Eisen und die mittlerweile verschärften Sicherheits- und Umweltbestimmungen sorgten für das Ende des betagten Geländegängers. Daher musste ein adäquater Nachfolger her, der 2020 in die Fußstapfen der altehrwürdigen Ikone trat.

Der akrtuelle Defender gibt sich als eine moderne Neuinterpretation zu verstehen. Mit seiner gut zwei Meter hohen und kantigen Formensprache übernimmt er zwar Details seines legendären Vorgängers. Doch statt starrem Leiterrahmen kraxelt er mit selbstragender Karosserie sowie zeitgemäßer Einzelradaufhängung nun durch die Landschaft. Natürlich wurden die guten Tugenden wie die enorme Bodenfreiheit und eine Geländeuntersetzung mitsamt Sperrdifferenzialen beibehalten. Bisherige Mankos des alten Modells wie der schlechte Fahrkomfort und die schwachen Fahrleistungen haben die Briten hingegen beseitigt.

Somit empfiehlt sich der Defender nicht mehr nur einzig und allein für Dschungelärzte, Förster oder Jäger, sondern auch für jene die auch schon mal gerne ins Gelände gehen, sofern sie es in unseren Gefilden überhaupt noch dürfen, oder mit einer Anhängelast von guten 3,5 Tonnen aber auch als ideales Zugfahrzeug.

Viel Sicherheit und Luxus an Bord

Technisch präsentiert sich der Landy als vollkommen up-to-date. Für die Sicherheit sorgen neben dem permanenten Allradantrieb zudem reichlich Fahrerassistenten, die zuverlässig ihren Job erledigen. Angefangen beim adaptiven Tempomaten über die vielen Kollisionswarner rundum bis hin zum üppig dimensionierten Head-up-Display. Gleichzeitig ist auch eine Menge Luxus in den Defender eingezogen. Unsere getestete Kurzversion 90 zeigt davon einiges – teils serienmäßig teils optional erhältlich. So sind die Sitze beheiz- und kühlbar und mit gediegenem Leder bespannt, während das beheizbare Lenkrad die Hände wärmt.

Das moderne Multimediasystem Pivi Pro kann mit seinem zehn Zoll großen Touchscreen jedoch nicht ganz überzeugen, weil es von seinem Fahrer eine Zeit der Eingewöhnung erfordert. Die Menüstruktur des Infotainments erweist sich als verschachtelt und teilwiese unlogisch aufgebaut. Hat man sich jedoch mit der eigenwilligen Bedienung angefreundet, lotst einen das Navi in Echtzeit-Routenführung zuverlässig ans gewünschte Ziel, während die Smartphoneintegration über das bordeigene Wlan ebenfalls anständig gelingt. Aber auch insgesamt ist das Entertainment bestens vernetzt. So lassen sich etwa der aktuelle Wetterbericht per Sprachbefehl abrufen und Musik über Onlinedienste streamen. Beindruckend ist auch das klanggewaltige Soundsystem von Meridian, das den Defender in einen rollenden Konzertsaal verwandelt.

Rund ums Cockpit gibt der Defender keine Rätsel auf, da es glücklicherweise noch genügend klassische Schalter und Drehregler gibt. Doch wirkt so manche Handhabung überfrachtet und unnötig kompliziert, da die Offroad-Programme im Menü des Touchscreens versteckt sind. Gleiches gilt für die Aktivierung der mittleren und hinteren Differenzialsperren. Ein direkter Zugriff über konventionelle Taster wäre die bessere Lösung gewesen, auch wenn der Land Rover im Alltag wahrscheinlich nicht ständig im Gelände unterwegs ist.

In seinem Innenraum bietet der nur knapp 4,60 Meter kurze Defender 90 seinen Gästen ordentlich Platz. Einzig der schmale Zugang in die zweite Reihe setzt ein gewisses Maß an Beweglichkeit voraus und das dahinterliegende Gepäckabteil fällt beim Dreitürer mit 297 bis maximal 1263 Litern recht übersichtlich aus. Wer mehr Stauraum benötigt, sollte daher gleich zum Defender 110 greifen. Der bietet auf einer Fahrzeuglänge von gut fünf Metern nicht nur zwei weitere Pforten einen bequemeren Einstieg, sondern wartet mit einem Volumen von 786 bis maximal 1875 Litern auf. Das reicht auch locker für sperriges Gepäck, allerdings ist es mit den cityfreundlicheren Abmessungen des Defender 90 dann vorbei.

Der Antrieb ist einfach Sahne

Der im Testwagen eingebaute 3,0-Liter-Diesel ist nun endlich die standesgemäße Motorisierung für den Defender und hat den anfangs noch angebotenen Vier-Zylinder-Selbstzünder längst abgelöst. Der Sechs-Zylinder-Biturbo leistet 300 PS und verfügt schon aus dem Stand neben über ein souveränes Ansprechverhalten und reichlich Kraft. Dazu passt auch die Automatik, die sanft aber auch flott durch ihr Acht-Gänge-Menü schaltet. Überhaupt erweist sich die Antriebskombination als eine gelungene und sehr harmonische Kombination.

Gehörschäden, wie noch beim Vorgänger, braucht im aktuellen Defender niemand zu befürchten. Der gleichermaßen seidig wie sportlich klingende Reihensechszylinder bleibt selbst auf ausgiebigen Autobahnfahrten akustisch dezent im Hintergrund. Und die Windgeräusche halten sich auch bei hohem Tempo von über 180 km/h in tinnitusfreien Grenzen. Logisch, dass der Land Rover dann aber auch einiges schluckt. Schließlich kommt seine opulente Aerodynamik auch eher einer massiven Schrankwand gleich. Daher waren es unter häufigem Vollgasanteil im Schnitt auch locker über 15 Liter Diesel. Wer es dagegen gemächlicher angeht, muss zum angegebenen WLTP-Normverbrauch von 8,6 Litern noch gut einen Liter mehr einkalkulieren.

Aber auch das entspannte Fahren bereitet mit dem Landy eine Menge Spaß. Mit der im Testwagen montierten elektronisch geregelten Luftfederung federt der Defender selbst mit seinen 22 Zoll großen Alurädern noch sehr komfortabel. Zwar rufen die Briten für das optionale Fahrwerk fast 3000 Euro auf, jedoch entpuppt sich der Aufpreis als eine lohnenswerte Investition. Das samtige Ansprechverhalten überrascht und ist seinem bockigen Vorgänger nicht mehr vergleichbar. Beim alten Modell musste man auf längeren Reisen noch um Rückenschmerzen bangen oder gar um lockerere Zahnfüllungen fürchten. Damit ist nun Schluss. Auch die Lenkung ist völlig in Ordnung. Sie spricht zwar etwas indirekt an und arbeitet mit großen Lenkwinkeln, doch informiert sie den Fahrer noch mitteilsam genug über den aktuellen Straßenzustand. So hat der Land Rover Defender an den richtigen Stellen hinzugewonnen.

Nun muss nur noch die Zeit zeigen, ob auch der Nachfolger das Zeug zu einer würdigen Ikone hat. Wir meinen: Ja, auf jeden Fall. Zumal der dreitürige Defender 90 D300 mit einem Einstiegspreis von 68.700 Euro durchaus zu den wenigen Sonderangeboten unter den Geländewagen zählt. Eine vergleichbare Mercedes G-Klasse kostet wesentlich mehr. Sie startet als G 350d mit 286 PS bei hohen 109.296 Euro. Zwar rollt der Schwabe schon serienmäßig mit fünf Türen an, viele weiteren Dinge, die der Defender bereits ab Werk mitbringt, müssen in Stuttgart jedoch noch als teure Extras hinzugeordert werden. Dagegen gilt selbst der lange Defender 110 in der Ausstattungsvariante S mit gerade einmal 72.400 Euro fast schon als ein Schnäppchen. 

Daten Land Rover Defender 90 D300 S
Länge x Breite x Höhe (m): 4,58 x 2,00 x 2,00
Radstand (m): 2,59
Antrieb: R6-Diesel, 2997 ccm, Biturbo, Direkteinspritzung, 8-Stufen-AT, Allrad, zwei Sperrdiffenziale
Leistung: 220 kW / 300 PS bei 4000 U/min
Max. Drehmoment: 650 Nm bei 1500–2500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 209 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,7 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 8,6 Liter
Effizienzklasse: B
CO2-Emissionen: 226 g/km (Euro 6d)
Testverbrauch: 9,6 Liter
Leergewicht / Zuladung: min. 2303 kg / max. 667 kg
Kofferraumvolumen: 297–1263 Liter
Bodenfreiheit: 290 mm
Wattiefe: 900 mm
Böschungswinkel: v: 37,5 Grad / h: 40,0 Grad
Rampenwinkel: 30,7 Grad
Max. Anhängelast: 3500 kg
Wendekreis: 12 m
Bereifung: 275/45 R 22
Basispreis: 68.700 Euro
Testwagenpreis: 88.140 Euro

(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)