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11. Mai 2022

Fahrbericht VW ID 5 GTX: Hardware mau, Software wow

SUV-Coupés waren schon bei Verbrennern schwer angesagt, nun werden auch immer mehr Elektroautos in die trendige Karosserieform gepackt. So wie der VW ID 5, die sportlich geschnittene Variante des ID 4. Während jedoch Audi den Q4 e-tron Sportback bereits im vergangenen Jahr und Skoda sein Enyaq Coupé ebenso kürzlich vorstellte, schickt die Konzernmutter erst jetzt ihr erstes E-SUV-Coupé in die Verkaufsräume.

Ebenso wie die Töchter jeweils mit zwei Heckantriebsversionen und als stärkeres und schnelleres GTX-Topmodell mit Allradantrieb. Dafür sind alle bereits mit der neuesten Software-Generation ausgerüstet, mit der die Wolfsburger zumindest beim Lademanagement dem großen US-Vorbild auf die Pelle rücken.

Gemeint ist die Funktion „Plug&Charge“, bei der sich der Wagen über einen zuvor einmalig implementierten ISO-Standard automatisch an kompatiblen Ladesäulen authentifiziert, sobald das Ladekabel eingesteckt wird. Eine Ladekarte ist nicht mehr nötig, die Abrechnung läuft über den VW-eigenen Stromtarif We Charge. Das ebenso einfache wie komfortable Komfortplus gibt es bei Tesla zwar auch schon, allerdings nur in dessen eigenem Netzwerk. Volkswagens System wird bereits von einigen großen Ladeinfrastrukturen wie Ionity, Aral, BP, EON, Enel sowie Iberdrola und Eviny unterstützt und weitere sollen folgen.

Die neue Software bietet aber noch mehr. So kann die in allen ID-5-Varianten eingebaute 77-kWh-Batterie jetzt mit 135 kW Leistung geladen werden. Vorher waren es nur 125 kW. Bei einer Ladung von 5 auf 80 Prozent soll das bis zu neun Minuten Zeitersparnis bringen und der ID 5 im Idealfall in 29 Minuten für die nächsten 390 Kilometer aufgeladen sein. Aber auch der E-Routenplaner, der auf dem 12-Zoll-Touchscreen eine Multistopp-Planung für die schnellst mögliches Ankommen anbietet, wurde schlauer und bietet clevere Details. Neben der Einbeziehung von Verkehrs- und Streckendaten bei der Berechnung können auch der gewünschte Ladestand und die entsprechende Restreichweite am Ziel individuell variiert werden – sehr hilfreich, wenn man nicht genau weiß, ob der Zielort in einer E-Säulen-Einöde liegt oder keine hauseigene Wallbox verfügbar ist. Auch die Ladestopps selbst werden dynamisch nach der Leistung der Ladesäulen bewertet. So kann unterm Strich die Routenplanung beispielsweise zwei kurze Ladevorgänge mit hoher Leistung statt eines einzigen langen mit niedriger Leistung vorschlagen.

Aber auch bei den Assistenzsystemen überrascht der VW mit neuen – wenn auch nur optionalen – Funktionen und Gimmicks. Wie etwa dem „Travel Assist mit Schwarmdaten“, der den Wagen jetzt nicht nur aktiv in der Spurmitte hält, das Tempo an nahende Beschränkungen oder Kurven anpasst, sowie Abstände zum Vorausfahrenden einhält. Das System beobachtet mit zwei Radaren im Heck und per Ultraschall auch den umliegenden Verkehr und vollführt auf der Autobahn ab 90 km/h selbstständig einen Überholvorgang, sobald der Blinker gesetzt wird. Ganz nett, wenn im Moment auch nicht mehr als eine schöne Spielerei, weil dazu das kapazitive Lenkrad immer die Hände des Fahrers spüren muss – dann kann er auch gleich selbst überholen. Fürs künftige automatisierte Fahren indes ganz sicher ein erster Schritt. Ebenso wie die die anonymisierten Schwarmdaten, die künftig durch die VW-Flotte erhoben und gespeichert werden, und je nach Bedarf individuell zugeschnitten an andere Teilnehmer in der jeweiligen Situation gesendet werden können.

Eher in die Kategorie magische Momente statt nette Spielerei fällt dagegen das – leider auch nur gegen Aufpreis erhältliche – personalisierte Parken. Neben der üblichen automatischen Führung des Wagens inklusive Lenken, Beschleunigen und Bremsen beim Ein- und beim Ausparken kann der „Park Assist Plus mit Memory Funktion“ einmal gelernte Manöver endlos reproduzieren. Das System merkt sich dabei unterhalb von 40 km/h einen Fahrtweg von bis zu 50 Metern – beispielsweise, um in eine enge Zufahrt, Carport oder Garage einzufädeln. Einmal selbst eingeparkt und den Vorgang abgespeichert, wiederholt das Fahrzeug das gelernte Parkmanöver anschließend selbstständig, während Fahrerin wie Fahrer den Vorgang nur noch – staunend – überwachen müssen.

Bei soviel Software-Feinheiten rückt die Hardware fast schon in den Hintergrund. Tatsächlich gibt es dazu aber auch kaum mehr zu sagen, was nicht schon für die bekannte SUV-Version ID 4 gilt. Wie dieser ist auch der ID 5 ein stattlicher Crossover mit bulligem Bug und Body, mit 4,60 Meter zwei Zentimeter länger als der SUV-Bruder (der GTX misst identische 4,58 Meter), bietet mit gleichem 2,77 Meter Radstand im Innenraum aber ebenso, vor allem auf der Rückbank, fast die Geräumigkeit eines Touaregs. Auch optisch gleichen sich beide bis zur Karosseriemitte. Von dort schwingt die Dachlinie im eleganten Bogen über die Köpfe der Passagiere, die diese jedoch trotzdem weder beim Einstieg noch auf den hinteren Plätzen einziehen müssen.

Dafür schlüpft die Coupéform mit dem cW-Wert von 0,26 (GTX: 0,27) besser durch den Wind. Und das 549 Liter große Gepäckabteil schluckt sogar auch noch ein paar Liter mehr Gepäck. Mit umgeklappten Rücksitzlehnen sind es bei dachhoher Beladung sogar 1561 Liter. Was allerdings auch hier fehlt, ist eine verschiebbare Rückbank. Wie der ID 4 darf auch der GTX als eines der wenigen Elektroautos auf dem Markt bis zu 1200 Kilogramm (12 Prozent Steigung, ungebremst) an den optional elektrisch ausschwenkbaren Anhänger nehmen. Immer noch nicht viel, aber für einen Pferdetransporter oder Bootsanhänger reicht das in der Regel. Allerdings gibt es für den ID 4 noch keine Trailer Assist. Der Kunde muss das wuchtige SUV noch selber rangieren, was jedoch angesichts des kleinwagenähnlichen Wendekreises (11,6 Meter) und der cleveren Rückfahrkamera, die den Kugelkopf beim Rangieren bis unter die Kupplung bugsiert, vergleichsweise einfach zu handlen ist.

Eine weitere Nettigkeit zeigt der GTX mit seinen serienmäßigen LED-Matrix-Scheinwerfern (ID 5 Pro optional), die durch einen vertikalen Lichtmodulschwenk mit einer Art Augenaufschlag den sich nähernden Schlüsselträger begrüßen. Ist das optionale Zugangssystem Keyless Access dazu gebucht, sucht das Auto auch noch den Blickkontakt, indem es seine Scheinwerfer wie Augen seitlich bewegt – wohl eher nichts für Leute mit Paranoia, aber ein Muss für Stephen King-Fans („Christine“). Apropos, nicht nur für Kenner der TV-Kultserie „Knight Rider“ mit dem sprechenden K.I.T.T.-Wunderauto nützlich ist das serienmäßige ID Light-System, dessen Lichtband unter der Windschutzscheibe Fahrbereitschaft, Bremsaufforderungen oder Ladezustand der Batterie anzeigt. Bei Abbiegehinweisen der Navigation läuft sogar zweimal über die gesamte Breite ein Lichtimpuls in die angezeigte Richtung. Auch das so genannte Augmented Reality-Head-up-Display, das bei Kurskorrekturen oder Zielpunkten virtuelle Anzeigen und Fahrhinweise auf die Fahrbahn pinselt, ist natürlich im ID 5 an Bord.

Auch die Sprachbedienung profitiert von dem Software-Update. Sie erkennt und reagiert schneller auf Spracheingaben, kann nun Fahrer- von Beifahrerbefehlen unterscheiden und stellt auch schon mal Rückfragen oder lässt sich ins Wort fallen. Multimedia und Infotainment sind eins zu eins aus dem ID.4 übernommen. Soll heißen: ein frei stehender, zwölf Zoll großer Bildschirm auf der Mittelkonsole und wenige Knöpfe, dafür umso mehr Touch-Flächen mit intuitiver Smartphone-Bedienlogik, mit denen der Fahrer Telefonie, Navigation, Entertainment, Assistenzsysteme und Fahrzeug-Setups managt. Auch hinter dem Lenkrad das gleiche 5,3-Zoll-Digital-Display wie im E-SUV-Bruder, das auch in diesem Auto definitiv zu mickrig wirkt. Ebenso erscheint der rechts am Display angedockte Fahrstufen-Schaltknubbel für ein SUV dieses Formats nicht standesgemäß. Erst recht, wenn man häufiger die B-Funktion für die stärkere Energierückgewinnung nutzen will, ist der Griff hinters Lenkrad mühsam.

Der ID.5 startet 2022 mit drei Motorisierungen. Neben den beiden heckgetriebenen ID 5 Pro mit 128 kW (174 PS) und ID 5 Pro Performance mit 150 kW (204 PS) steht diesmal gleich von Beginn an auch die Topversion ID 5 GTX mit 220 kW (299 PS) am Start, wobei an der Hinterachse jeweils dieselbe E-Maschine arbeitet. An der Vorderachse ist zusätzlich eine 80 kW (109 PS) starker Asynchronmaschine verbaut, die unter Normalbedingungen unbestromt mitläuft, sich jedoch bei sportlicher Fahrweise oder rutschigem Untergrund innerhalb von Hundertstelsekunden vom Fahrer unbemerkt zuschaltet und damit einen veritablen Allradantrieb darstellt.

Damit reagierte unser Testwagen auf den geschwungenen und welligen Bergstraßen des Salzburger Hinterlands, wohin VW zur ersten Ausfahrt geladen hatte, bei konstanter Fahrt gutmütig und unauffällig. Der Geradeauslauf ist vorbildlich, die präzise Lenkung korrigiert kleinste Kursabweichungen, der Abrollkomfort ist trotz der großen 21-Zoll-Räder recht ordentlich. Auf beschädigtem Geläuf mit dicken Bitumenflicken und Brüchen im Asphalt allerdings poltert es aufgrund des Akkublocks wie gehabt vernehmlich im Untergrund. Ganz anders das Bild, wenn man die serienmäßige Fahrprofilauswahl auf Sport stellt und die Querdynamik per Pedaldruck erhöht. Nun zieht das System die Zügel an und der Stromer scheint auf Kompakt-Pkw-Maß zu schrumpfen.

Trotz seiner stattlichen 2,24 Tonnen Lebendgewicht zieht der ID 5 GTX so straff und kontrolliert wie ein echtes Sportcoupé durch die Kurven. Immer vorausgesetzt, das Sportpaket Plus (1150 Euro) inklusive Progressivlenkung und adaptiver Dämpferregelung sind an Bord, verblüfft das ID 5-Topmodell ein ums andere Mal mit seinem guten Handling, indem es per gezielten Bremseingriff ebenso dynamisch einlenkt wie durch millisekundenschnelle Dämpferjustierung Ruhe und Stabilität ins Fahrzeug bringt. Möglich macht das auch hier der serienmäßig verbaute Fahrdynamikmanager, der in Sekundenbruchteilen die unterschiedlichen Regelsysteme und deren Aktuatoren, vom elektronischen Stabilitätsprogramm ESC über die variablen Dämpfer und Vorderachssperren bis zum Torque Splitter für die radselektive Momentenverteilung des Allradantiebs, koordiniert und steuert. In punkto Beschleunigung ist das SUV-Coupé mit 6,3 Sekunden im Standardsprint ebenso so schnell auf 100 km/h wie der derzeitige Golf GTI. Die Spitze hingegen wird wie bei allen VW-Elektroautos künstlich begrenzt. Wobei dem GTX als sportliches Topmodell mit Tempo 180 im Gegensatz zu seinen ID 5-Brüdern immerhin 20 km/h mehr zugestanden werden.

Doch exzessive Zwischenspurts oder Spitzentempo ausreizen sollte sich ohnehin verkneifen, wer im ID 5 GTX auch nur entfernt die prognostizierten 490 Kilometer WLTP-Reichweite des 77-kWh-Akku erreichen will. Immerhin ermöglicht die neue Software wie erwähnt auch eine schnellere Aufladung. Wenn auch nur für die Pro-Modelle, beim GTX bleibt es beim DC-Laden von 5 auf 80 Prozent bei 36 Minuten. An der heimischen Wallbox dauert die komplette Ladung je nach Systemleistung acht bis zwölf Stunden. Das können einige fernöstliche Wettbewerber inzwischen deutlich besser. Eine clevere Eigenerfindung von VW ist der ID Charger Travel, der wie eine mobile Wallbox in zwei Ausführungen mit bis zu 7,2 kW oder bis zu 11 kW funktioniert. Das mobile Ladegerät erkennt den verwendeten Stecker und die verfügbare Spannung automatisch und verfügt über Anschlussmöglichkeiten für diverse Netzkabel.

Ebenso sportlich wie erstaunlich ist auch der Blick in die Preisliste. Der ID 5 startet ab 42.945 Euro, die mittlere Version Pro Performance steht ab 47.550 Euro im Konfigurator und die GTX-Variante ab 53.615 Euro. Macht im Vergleich zum ID 4 also zwischen 2700 und 3200 Euro Coupé-Aufschlag. Auch das kennen wir schon von den Verbrennern. 


Daten VW ID 5 GTX

Länge x Breite x Höhe (m): 4,58 x 1,85 x 1,62
Radstand (m): 2,77
Motor: Asynchronmaschine Vorderachse, permanenterregte Synchronmaschine Hinterachse
Leistung: 220 kW (299 PS)
Max. Drehmoment: 460 Nm
Antriebsart: Allradantrieb
Batterie: Lithiumionenbatterie, 77 kWh
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,3 Sek.
Elektr. Reichweite (WLTP): 490 km
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 17,1 kWh/100 km
Leergewicht / Zuladung: min. 2124 kg / 451-611 kg
Anhängelast (gebremst): 1200 kg
Kofferraumvolumen: 549 - 1561 Liter
Wendekreis: 11,6 m
Luftwiderstand: cW 0,27
Basispreis: ab 53.615 Euro

(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)


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