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19. Juni 2022

Fahrbericht Opel Vivaro-e Hydrogen: Stromern ohne Lade-Hemmung

Die automobile Zukunft ist elektrisch. Da sind sich Experten und E-Auto-Fans einig. Die Frage bleibt allerdings: Batterie oder Brennstoffzelle, respektive Wasserstofftechnik? „Das ist kein entweder oder, sondern ein sowohl als auch“, sagt Lars-Peter Thiesen, Leiter der Einführungsstrategie Wasserstoff und Brennstoffzelle bei Opel in Rüsselsheim. Seit über 20 Jahren arbeiten er und sein Team an der Serienentwicklung des klimaneutralen Antriebs. Mit dem Opel Vivaro-e Hydrogen kommt nun der erste Brennstoffzellen-Transporter auf die Straße.

Das Antriebsprinzip ist so einfach wie genial: Aus Wasserstoff und Umgebungsluft entsteht in der Brennstoffzelle Strom zum Antrieb des Elektromotors. Als einziges Abfallprodukt dieser Reaktion kommt dabei reiner Wasserdampf aus dem Auspuff. Insofern handelt es sich also auch beim Vivaro-e Hydrogen um ein Elektrofahrzeug mit null Emissionen.

Technisch basiert der elektrisch fahrende Van auf seinem batterieelektrischen Pendant. Der wird aus dem nordfranzösischen Stellantis-Werk Hordain angeliefert, in der Abteilung Opel Special Vehicles (OSV) in Rüsselsheim von 70 Mitarbeitern von Hand komplett zerlegt und neu aufgebaut. Dabei wird die Antriebsbatterie durch drei 700-bar-Wasserstofftanks aus Karbonfasern mit zusammen 4,4 Kilo Fassungsvermögen ersetzt. Genug für mehr als 400 Kilometer Reichweite nach WLTP-Norm.

Auch der Brennstoffzellenantrieb fällt so kompakt aus, dass er unter der Motorhaube Platz findet. Vorteile: Die Karosseriestruktur muss nicht geändert werden und auch das Ladevolumen bleibt unverändert. So besitzt der wahlweise in den Längen M und L (4,96 und 5,30 Meter) lieferbare Transporter mit 5,3 und 6,1 Kubikmetern identisch große Laderäume wie die Diesel- oder batterieelektrischen Vivaro-Varianten. „Wenn man so will, lief die gesamte Entwicklung auf ein Ziel hinaus: Keine Einschränkung beim Laderaum“, so Thiesen.

Dagegen bringt es die Brennstoffzelle nur auf eine Leistung von 45 kW. Etwas zu schlapp für den eingebauten Stellantis-Standard-Elektroantrieb mit 100 kW (136 PS), weswegen zum Starten und Beschleunigen sowie für die Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn eine 10,5 kWh starke Lithiumionen-Batterie unter den Vordersitzen zusätzlichen Boost sowie extern an der Steckdose aufgeladen weitere 50 Kilometer Reichweite liefert. So kann das Brennstoffzellensystem stets unter optimal gleichbleibenden Bedingungen arbeiten. Was während der Fahrt deutlich zu hören ist, weil der turbinenähnliche Antriebssound und die Beschleunigung nicht immer synchron verlaufen und das Betriebssystem auch im Stand stets präsent bleibt. Allerdings stört das akustische Eigenleben nach kurzer Eingewöhnungszeit nicht weiter. Etwas nerviger im automobilen Alltag erscheint da schon eher die geringe Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h, mit der Überholvorgänge sowohl auf der Landstraße als auch auf der Autobahn wohl vorbereitet sein wollen, wenn man nicht über Gebühr die linke Spur belegen will. Auch die 15 Sekunden bis Landstraßentempo ziehen sich wie Kaugummi. In urbanen Gefilden dagegen stromert der Van mit vergleichbar spontanem Antritt, fährt und federt wie sein batterieelektrisches Pendant.

Mit dem kleinen, aber entscheidenden Unterschied, dass das Auftanken gerade mal drei Minuten dauert – in etwa so kurz wie ein Tankstopp mit konventionellem Diesel oder Benziner. Ideal vor allem für gewerbliche Flottenkunden, die überwiegend lange Strecken zurücklegen beziehungsweise schnell auftanken müssen. Weswegen Opel ausgerechnet einen Lieferwagen als erstes Fahrzeug mit einem Brennstoffzellenantrieb ausrüstet. „Es gibt viele Branchen, in denen die Mitarbeiter ihr Fahrzeug über Nacht an der Straße parken und keine Möglichkeit haben, aufzuladen“, weiß Thiesen. Das Spektrum reicht hier von Servicetechnikern, Monteuren, Kurierfahrern und Paketzustellern bis zu Kommunen, Stadtwerken und Energieversorgern. Kurze Stehzeiten bedeuten hier im Alltagsbetrieb bares Geld. Als erstes Unternehmen hat denn auch der Haushaltsgerätehersteller Miele nach mehrwöchiger Testphase zwei Vivaro e-Hydrogen an die individuellen Anforderungen seines Kundendienstes angepasst, um damit nun im Anschluss Servicefahrten im Rhein-Main-Gebiet zu übernehmen.

So schnell und einfach wie der Brennstoffzellen-Van wieder aufgetankt und fahrbereit ist, so langwierig und mühsam ist es allerdings zurzeit noch, an den begehrten Wasserstoff zu kommen. Aktuell umfasst das Tankstellennetz gerade mal knapp 100 öffentlich zugängliche Zapfsäulen von H2-Mobility, flächendeckend verteilt über das gesamte Bundesgebiet. Dort kostet das Kilo Wasserstoff zurzeit einheitliche 12,85 Euro, macht für die angegebene WLTP-Reichweite also knapp 14,13 Euro auf 100 Kilometer. Bei den gegenwärtigen Spritpreisen ist das also mehr als konkurrenzfähig.

Neben dem dünnen Tankstellennetz sind auch die hohen Kosten noch ein Problem. Kaufen lässt sich der Vivaro-e Hydrogen noch nicht. Opel bietet zunächst nur eine Leasingoption mit monatlich 700 Euro. „Zurzeit sind die Komponentenkosten noch relativ hoch, weil die Stückzahlen sehr niedrig sind“, sagt Lars-Peter Thiesen. „Der Schlüssel heißt hier economies of scale“, auf deutsch: Produktionskosten, die durch steigende Stückzahlen geringer ausfallen. Genau das soll jetzt passieren. Die Rüsselsheimer Spezialabteilung, in der auch die baugleichen Stellantis-Geschwistern Peugeot e-Expert und Citroën e-Jumpy auf Brennstoffzellenantrieb umgerüstet werden, ist zurzeit auf rund 1000 Modelle pro Jahr ausgelegt. Ab 2024 sollen auch die größeren Stellantis-Transporter im Format eines Opel Movano, Fiat Iveco oder Peugeot Boxer wahlweise mit Wasserstoff fahren, so dass die Stückzahl auf 10.000 Brennstoffzellentransporter ausgeweitet in die reguläre Fließbandproduktion integriert werden kann. Längerfristig will Stellantis die Technologie ab 2025 dann auch in den USA in den RAM-Transportern und Pick-ups anbieten. 

(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)


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