Zum Hauptinhalt springen Zur Fußzeile springen

13. November 2023

Fahrbericht VW ID 7: Zurück zur Normalität

Noch nicht mal auf dem Markt und schon den ersten Preis als „German Car of the Year 2024“ eingeheimst. Mit dem ID 7 setzt VW nicht nur seine elektrische Transformation fort, die knapp fünf Meter lange Schräghecklimousine soll zeigen, „wie wir Elektromobilität langstreckentauglich und komfortabel machen“, sagt VW-Markenchef Thomas Schäfer. Die Anlagen dafür bringt sie mit: gute Aerodynamik, große Reichweite, schnelles Laden sowie langer Radstand und jede Menge Oberklasse-Features.

VW positioniert das neue Topmodell der ID-Familie in der oberen Mittelklasse und tritt damit gegen Größen wie Mercedes EQE, BMW i5 oder auch Hyundai Ioniq 6 an. Schon auf den ersten Blick macht der 4,96 Meter lange Viertürer mit der coupéförmig abfallender Heckpartie und den kurzen Überhängen was her. Dach und Dachsäulen sind stets schwarz gefärbt mit Rahmenleisten im Alu-Look. Die Front wird von einer konturierten Haube, den schmalen LED-Scheinwerfern und einer LED-Querspange dominiert. In der Seitenansicht schwingt sich eine Linie unterhalb der Fensterbrüstung von den Scheinwerfern bis in die Heckpartie, in der wiederum eine auffällige LED-Querspange nach außen bis in die umlaufenden LED-Rückleuchten hineinreicht. Eine scharfe Abrisskante hilft der Aerodynamik, die mit einem cW-Wert von 0,23 zwar nicht ganz an Mercedes-Benz EQS oder Lucid Air heranreicht, den ID 7 aber dennoch sehr windschnittig macht.

Im Wortsinne sehens- und bemerkenswert ist das serienmäßige Augmented-Reality-Head-up-Display, das ein ganz neues ID-Cockpit-Layout konzipiert. Wesentliche Fahrinfos wie aktuelle und zulässige Geschwindigkeit, Spurmarkierungen, Abstandshinweise, aber auch Ladestand der Batterie und Verbrauchswerte, stehen dem Fahrer nun buchstäblich vor Augen auf die Fahrbahn geschrieben, darunter besonders hilfreich die spurgenaue Führung der Navigation. Wobei Statusanzeigen rund 3,5 Meter in den Nahbereich vor den Wagen projiziert, Fahr- und Richtungshinweise virtuell in rund zehn Meter Entfernung über die reale Außenwelt gelegt werden. Lichtlaufstreifen unter der Frontscheibe (ID.Light), die ebenfalls serienmäßig an Bord sind, geben außerdem intuitiv wahrnehmbare Informationen. Dafür ist das bislang in den ID-Modellen hinterm Lenkrad aufragende Kombiinstrument jetzt so stark verkleinert, dass es ins Band der Luftausströmer passt. Damit wirkt der Armaturenträger optisch sehr clean und geschlossen.

Zentrale Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ist das – Tesla lässt grüßen – frei stehende, 15 Zoll große Touch-Display des Infotainment-Systems, das in seiner Menüführung logisch und selbsterklärend in einen mittigen Homescreen, flankiert von zwei Touch-Leisten aufgebaut ist. Die obere bietet direkten und schnellen Zugriff auf Fahrzeugfunktionen und verfügbare Apps, die jeweils frei konfiguriert werden können. Gleiches gilt für den Haupt-Screen, der Inhalte wie Navigation, Radio, Klima oder den neuen Online-Sprachassistenten als Kacheln darstellt und dessen Inhalte, Layout und Anzahl ebenfalls individuell angepasst werden können. Die untere Leiste des Displays zeigt die Klima- und Sitzfunktionen. Allein die fummeligen Slider für Lautstärke und Temperatur darunter sind geblieben, doch sind sie nun wenigstens beleuchtet. Auch die Fahrstufen lassen sich wie bekannt über einen Drehhebel hinterm Lenkrad verstellen.

Aber auch der Rest des Interieurs macht einen sehr aufgeräumten und gepflegten Eindruck, zumindest in der vorerst verfügbaren Version Pro, zu der unter anderem ein beheizbares Multifunktionslenkrad, eine 10-farbige Ambientebeleuchtung, eine 3-Zonen-Klimaautomatik mit automatisch gesteuerten Luftausströmer, das Navigationssystem „Discover Pro Max“ und Sprachassistent gehören. Oberflächen und Materialien im sichtbaren Bereich sind sauber verarbeitet und fühlen sich hochwertig an, die bequemen Sitze bieten einen ausgezeichneten Halt. Optional gibt es so genannte „ergoActive“-Sitze mit Druckpunktmassage sowie ein Panoramadach mit „Smart Glas“, dessen Glasschichten elektronisch blickdicht oder klar geschaltet werden können.

Dazu gibt es Platz in Hülle und Fülle. Dank des langen Radstands von 2,97 Meter dürfen sich vor allem Passagiere in Reihe zwei über große Beinfreiheit freuen. Und trotz der leicht abfallenden Dachlinie bleibt auch genügend Platz über dem Scheitel. Hinter der elektrisch aufklappenden Heckklappe öffnet sich ein bis zu 532 Liter großer Kofferraum, dessen Volumen bis zur ersten Sitzreihe beladen auf bis zu 1586 Liter steigen kann. Unterm Strich wirkt der ID 7 also wie eine ganz normale Reiselimousine, mit der sich die eine oder andere komfortable Langstreckenfahrt absolvieren lässt. Wäre da nicht der elektrische Antrieb, der dabei immer wieder zu unfreiwilligen Unterbrechungen zwingt.

Doch auch hier nähert sich VW langsam der Normalität. Angetrieben wird der ID 7 zur Markteinführung von einem 210 kW (286 PS) starken Elektromotor, der aus dem Stand 545 Nm Drehmoment an die Hinterachse schickt. Mit der bislang leistungs- und drehmomentstärksten E-Maschine aller ID-Modelle lassen sich, wenn man den will, Standardsprints auf Tempo 100 in 6,5 Sekunden absolvieren, wobei die Spitze auf 180 km/h limitiert ist. Ihren Strom holt sie sich dafür aus einer Batterie mit 77 kWh Netto-Energiegehalt. Eine zweite Batterieversion mit 86 kWh wird folgen, kündigt VW an. Immerhin soll die jetzige mit einem Normverbrauch von 16,3 bis 14,1 kWh nach WLTP bereits eine Reichweite von bis zu 621 Kilometern besitzen. Auf unseren Testfahrten im strömenden Regen und bei einstelligen Temperaturen über französische Landstraßen und Autobahnen zeigte der Bordcomputer zwar selten unter 17 kWh an, doch annähernd 450 Kilometer wären so auch möglich – ein guter Wert.

Zumal die Energie kaum weniger schnell wieder aufgenommen werden soll. An DC-Schnellladesäulen sollen im besten Falle mit 175 kW Ladeleistung in zehn Minuten Strom für rund 200 Kilometer (nach WLTP) in die Batterie zurückfließen. Oder anders gesagt: Ist der Akku auf 10 Prozent runter, kann er in rund 28 Minuten wieder zu 80 Prozent aufgeladen werden. Dazu kann die Batterie nun dank neuem Lade- und Thermomanagement für den nächsten Schnellladestopp vorkonditioniert werden, entweder automatisch bei aktiver Zielführung des Navigationssystems mit e-Routenplaner oder manuell über das Lademenü im Infotainment-System.

Zusätzliches Einsparpotenzial bietet der Eco-Fahrmodus, der die elektrischen Verbraucher an Bord runterfährt und mit verstärkter Rekuperation den Wagen einbremst. Es geht aber auch umgekehrt im Sportmodus, bei dem sich Cockpit- und Ambientebeleuchtung rot färbt und der Motor ebenso überraschend wie überflüssig einen brummenden Ton von sich gibt – der sich über das Fahrprofilmenü aber dankenswerterweise auch wieder deaktivieren lässt. Zumal die Limousine auch bei dieser Option nicht zum Elektro-Sportflitzer mutiert. Zwar werden Dämpfer und Federn nun etwas härter und auch die Lenkung zielt noch agiler und direkter ums Eck, doch das ausgewogene Fahrwerk bleibt insgesamt weiter auf Komfort getrimmt. Auch der tiefe Schwerpunkt durch die im Wagenboden integrierte Batterie sorgt für Stabilität und Sicherheit.

Auch in punkto Assistenzsysteme ist der ID 7 auf der Höhe der Zeit – wenn nicht schon weiter. Denn neben den bekannten elektronischen Helfern für die assistierte Längs- und Querführung, Spurwechsel sowie Gefahrenwarnungen greift VW verstärkt auf Schwarmdaten zurück, um vor Behinderungen oder Unfällen auf der Strecke hinzuweisen oder auch auf Straßen mit nur einer Begrenzung die Spur zu halten. Diese neue Funktion des „Travel Assist“ funktioniert selbst auf Landstraßen im provenzialischen Hinterland erstaunlich gut.

Unterm Strich ist VW mit dem ID.7 ein gutes Elektroauto gelungen, das mit Langstreckenkomfort, vergrößerter Reichweite und Ladeschnelligkeit die größten Hindernisse der Elektromobilität entschärft. Doch eine weitere Hürde bleibt: der Preis. Mindestens 56.995 Euro verlangt VW für den ID 7 in der Version Pro, zwar mit ordentlicher Serienausstattung, neben den bereits erwähnten Features außerdem glanzgedrehte 19-Zoll-Leichtmetallräder, Rückfahrkamera oder „Park Assist Plus“ samt Einparkroboter mit Memory-Funktion – aber leider ohne staatliche Stütze. Denn seit September diesen Jahres werden ohnehin nur noch E-Autos für Privatkunden und ab 1. Januar 2024 nur noch die mit einem Nettolistenpreis des Basismodells bis zu 45.000 Euro gefördert. Da kommt nicht nur der aktuelle Lieferengpass für Elektromotoren aus dem VW-Werk in Kassel zur Unzeit.

Und noch ein Problem(chen) dürfte der ID 7, zumindest in Westeuropa, haben. Limousinen gehören hier nicht zu den gefragtesten Karosserieformen. Doch die Kombi-Version, die VW diesmal „Tourer“ statt Variant nennt, steht bereits zusammen mit der Allradvariante GTX in den Startlöchern.

(Quelle: Frank Wald, cen)