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12. Dezember 2023

Fahrbericht VW Amarok: Ein Afrikaner auf Abwegen

Über SUV, Pseudo-Geländewagen, die schon vor einer feuchten Wiese kapitulieren, können Amarok-Fahrer nur müde lächeln. Der Pick-up von Volkswagen ist das Anti-SUV: Gnadenlos auf den Einsatz im harten Praxisalltag von Landwirten, Pferdezüchtern, Tiefbau-Ingenieuren oder Landschaftsgärtnern getrimmt.

So muss ein Geländewagen mit Ladefläche gebaut sein: Die Karosserie sitzt auf einem separaten Rahmen, hinten ist die Starrachse an Blattfedern geführt. Das ganze wiegt leer – je nach Motor und Ausstattung – zwischen 2,18 und 2,54 Tonnen. 1,19 Tonnen Zuladung sind drin. Wer noch mehr zu transportieren hat, nimmt es auf den Haken: Bis 3,5 Tonnen dürfen die Kaltblüter oder Baumaschinen wiegen, die der Amarok mit der abnehmbaren Hängerkupplung ziehen darf. Eine Anhängelast, die auch bei großen SUV nicht mehr üblich ist.

In Deutschland wird der neue Amarok, der in Südafrika gebaut wird, nur mit Diesel und Allradantrieb angeboten. Im Gelände schlägt sich der 5,35 Meter lange Wagen bravourös – dank kurzer Überhänge der Karosserie, großer Bodenfreiheit, mechanischen Sperren und Geländegang. Dabei warnt einen das System, die zentrale Sperre nur auf losem Untergrund zu nutzen, sonst verspannt sich der Antrieb. Eine Sechsgang-Handschaltung oder Zehngang-Automatik sorgen für die richtige Über- oder Untersetzung. Und sollte sich der Amarok doch mal zu weit in den Schlamm gewagt haben, sind die zwei vorderen Abschlepphaken stark genug, um ihn wieder aus dem Dreck zu ziehen.

Doch das dürfte selten vorkommen. Mit den richtigen Reifen wühlt sich das Arbeitstier auch durch tiefen Schlamm, klettert steile Böschungen hoch und fährt solche Steigungen genauso souverän wieder herunter. In seinem Herkunftsland Afrika sind solche Fähigkeit wahrscheinlich wichtiger als in Deutschland.

Auch auf der Straße zeigt der Amarok seine praktische Seite. Die Ladefläche hat nicht nur Platz für eine Euro-Palette, sondern bei geöffneter Heckklappe sogar für zwei. Das Dach trägt bis zu 350 Kilo im Stand, 85 Kilo während der Fahrt. Das reicht locker für ein familientaugliches Dachzelt. Die Verzurrösen auf der Ladeflache halten 400 Kilo aus. Die Abdeckung der Pritsche kann elektrisch betätigt und mit der Zentralverriegelung verschlossen werden. Eine ganze Reihe solcher Details machen den Amarok noch praxistauglicher als seinen Vorgänger. Wen wundert’s: Bei diesem Modell hat Ford geholfen, der größte Pick-up-Hersteller der Welt. Ford baut auf gleicher Basis den Ranger. Beide Pick-ups kommen aus dem Ford-Werk Silverton in Südafrika. Während der Ford auch mit Einzelkabine zu haben ist, gibt es den Amarok nur mit Doppelkabine, vier Türen und hinterer Sitzbank.

Innen gibt ein Zehn- oder Zwölf-Zoll Bildschirm Zugriff auf mehr als 25 Assistenzsysteme, 20 davon sind neu: Ein Rückfahrassistent erleichtert das Rangieren mit dem Anhänger. Der Blind-Spot-Sensor macht das Überholen sicherer. Das 360-Grad-Kamerasystem zeigt das Auto wie aus der Drohnen-Perspektive. Ein- und Ausparken kann man dem Parklenkassistent überlassen. Sechs Fahrprogramme stehen zur Wahl – für fast jeden Zweck und Untergrund.

Angetrieben wird der Amarok von Dieselmotoren mit zwei oder drei Litern Hubraum, vier oder sechs Zylindern. Zwischen 170 und 240 PS leisten die Maschinen. Fünf Ausstattungspakete gibt es – erkennbar auch an der Frontpartie und der Radgröße von 16 bis 21 Zoll. Die Top-Modelle heißen „Pan Americana“, für die Offroad-Freunde, und „Aventura“, für den edleren Auftritt. Beide haben eine Harman-Kardon-Anlage mit 640 Watt an Bord.

Wer sich mit der Grundausstattung begnügt, muss für den Amarok mindestens 47.121 Euro ausgeben. Beim Aventura sind es ab 70.163 Euro. Wer sich auch im Urlaub gerne auf Abwege begibt, dem sei der Camping-Aufbau von Genesis empfohlen. Für 30.000 Euro verwandelt sich der Amarok so zum Campingmobil mit Außenküche, Vordach und beheiztem Dachzelt.

830.000 Stück wurden bei Volkswagen Nutzfahrzeuge vom ersten Amarok gebaut und an die – zumeist professionelle – Kundschaft verkauft. Schließlich ist er ein Arbeitstier, kein Boulevard-SUV. 

(Quelle: Guido Reinking, cen)