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18. September 2023

Fahrbericht Honda CR-V: Flaggschiff auf Premiumkurs

Er war einst das meistverkaufte SUV der Welt. Die Zeiten sind zwar vorbei, und doch fährt der Honda CR-V in seinem Segment immer noch in der oberen Liga mit. Dort möchten die Japaner nun auch die sechste Generation positionieren und haben das einstige Kompakt-SUV zum Flaggschiff ausgebaut. Davon zeugt nicht zuletzt die mutige Preisgestaltung. Mindestens 51.400 Euro muss der deutsche Käufer ab sofort für den neuen CR-V auf den Tisch legen. Der Vorgänger startete noch schlappe 20.000 Euro günstiger.

Doch bei dessen Deutschland-Debüt 2018 gab es auch noch den konventionellen Verbrennerantrieb. Der neuen CR-V ist jetzt nur noch in zwei Antriebsvarianten zu haben, als Vollhybrid mit der Bezeichnung „e:HEV“ sowie erstmals in Europa auch als Plug-in-Hybrid „e:PHEV“ mit einer elektrischen Normreichweite von 82 Kilometern. Herzstück beider Optionen ist der bekannte 2,0-Liter-Vierzylinder-Benzinmotor, der mit Hochdruckeinspritzung stets im effizienten Atkinson-Zyklus arbeitet und zusammen mit zwei Elektromotoren und einer Lithium-Ionen-Batterie im nahtlosen Wechsel zwischen EV-, Hybrid- und Motorantrieb operiert. Verbessert wurde außerdem die Vibrations- und Schalldämmung des Motors, während eine steifere Kurbelwelle für mehr Laufruhe im Innenraum sorgt.

Angetrieben wird der CR-V stets von einem der beiden Elektromotoren, der Benziner dient in erster Linie der Stromerzeugung und treibt nur bei Bedarf auf der Autobahn oder an Steigungen die Räder an. In beiden Varianten beträgt die Systemleistung identische 135 kW (184 PS), die sich damit gegenüber der fünften Generation nicht geändert hat. Allerdings stieg das Drehmoment auf 335 Newtonmeter, was im flotten Antritt und souveränen Durchzug des immerhin bis zu gut zwei Tonnen schweren SUV zu spüren ist. Inzwischen nervt die Automatik auch nicht länger bei jedem energiescheren Tritt auf Gaspedal mit dem berüchtigten „Gumminband-Effekt“, bei dem das Hochdrehen des Motors der tatsächlichen Beschleunigung vorauseilt. Nahezu geräuschlos, schnell und ohne jedwedes Ruckeln greifen die Übersetzungen ineinander. Allein beim Kickdown, bei Überholmanövern oder plötzlichen Zwischensprints ist die Kraftanstrengung des Vierzylinders noch zu hören.

Doch allzu sportliche Kurverei ist ohnehin nicht die Spezialität des CR-V. Seine Stärken sind die gemächlichen Gangart und das entspannte Cruisen auf der Langstrecke. Dafür ist das einstige Kompakt-SUV seinem Segment entwachsen, um fast elf Zentimeter auf 4,71 Meter und erreicht damit nun die Länge eines Skoda Kodiaq, VW Tiguan Allspace oder Volvo XC60. Zusammen mit dem auf 2,70 Meter gestreckten Radstand entstanden so jede Menge mehr Platz und Geräumigkeit, vor allem auch auf den hinteren Sitzen. Für eine noch bequemere Haltung lassen sich die Lehnen in der Neigung verstellen und der Kofferraum schluckt nun bis zu 617 Liter. Wenn auch nur in der Plug-in-Variante, bei der die Batterie unter den Rücksitzen platziert ist. In der Vollhybridversion steckt der Akku unter dem Ladeboden und lässt damit das Gepäckfach auf 587 Liter schrumpfen.

Dafür ist jeder Honda CR-V e-HEV mit einem modifizierten Allradantrieb ausgestattet, der anders als noch beim Vorgänger, bei höheren Geschwindigkeiten wachsam bleibt und auch auf schnellen, hügeligen und kurvenreichen Straßen für mehr Grip sorgt. Der Plug-in-Hybrid ist dagegen nur mit Frontantrieb zu bekommen. Dieser wiederum ist ab Werk mit einem adaptiven Dämpfersystem gerüstet, das die Dämpfleistung an Hand von Sensordaten wie Radgeschwindigkeit, Quer- und Längskräfte sowie Gierrate reguliert. Beim Vollhybrid bügeln allein reaktive Dämpfer auf unebenem Terrain die niedrigen und hohen Frequenzen glatt.

So entspannt und intuitiv das Fahren selbst mit dem Honda CR-V ist, Interieur und Bedienung hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Zwar ist das Cockpit geradlinig, geordnet und mit reichlich Tasten und Reglern überzogen, die nach einigen Minuten der Übersicht auch intuitiv zu bedienen sind. Auch Materialien und allgemeine Anmutung erscheinen auf den ersten Blick gediegen und hochwertig, auch wenn der Klopftest das eine oder andere Plastikteil offenbart. Allein der viel zu klein geratene 9-Zoll-Touchscreen für das Infotainmentsystem mit fummeligen Minitastatur und teilweise hakeliger Navigation wird dem selbst ernannten Flaggschiff-Anspruch nicht gerecht. Dafür gibt es erstmals im CR-V ein Head-up-Display (ab Advance), das Geschwindigkeits-, Fahrerassistenz- und Navigationsinfos in die Frontscheibe spiegelt. Auch das digitale 10,2-Zoll-TFT-Kombidispaly hinterm Lenkrad zeigt alle wesentlichen Informationen, die über die Lenkradtasten intuitiv sortiert werden können.

Etwas gewöhnungsbedürftig hingegen sind die Richtungswahltasten des Automatikgetriebes in der Mittelkonsole, bei dem zwar die D- und P-Funktion durch normale Drück-Button, der Rückwärtsgang aber wie beim Fensterheber durch Fingereingriff aktiviert wird. Daneben befindet sich der Schalter für die vier Fahrmodi Normal, Econ, Sport und Snow (e:HEV), deren Unterschiede sich aber nur marginal, am auffälligsten noch in der Gasannahme, bemerkbar machen. Beim Plug-in-Hybrid kommen noch die beiden weiteren Funktionen „EV“ für reinen Elektroantrieb und „Tow“ für den Anhängerbetrieb. Denn nach Einbau einer abnehmbaren Anhängerkupplung (1200 Euro) darf der e-PHEV 1500 Kilogramm an den Haken nehmen und 100 Kilogramm (z.B. Fahrradträger) darauf abstützen. Beim Vollhybrid halbiert sich die erlaubte Zuglast.

Nichts zu meckern gibt es an der Ausstattung. Das Navigationssystem wurde um einen vorausschauenden Streckenassistenten ergänzt, der etwa die Energierückgewinnung bei Bergabfahrten verbessert. Im Plug-in-Hybrid wird auf Basis dieser Daten die Batterienutzung über die gesamte Fahrstrecke geplant und optimiert. Es gibt vier beleuchtete USB-Anschlüsse. Und selbst die kabellose Smartphone-Ladefläche mit 15 Watt Leistung besitzt gegen die Wärmeentwicklung ein Kühlgebläse.

Überhaupt relativiert die üppige Serienausstattung des hohen Einstiegspreis. In der Grundversion „Elegance“ enthalten sind neben Allradantrieb und Navi-System unter anderem einer sensorgesteuerter Heckklappe, Panorama-Glasschiebedach, WiFi-Hotspot sowie 18-Zoll-Alufelgen. In der Linie „Advance“ für 3000 Euro extra gibt es neben dem erwähnten Head-up-Display ein adaptives Fernlicht für die LED-Scheinwerfer, eine 360-Grad-Kamerarundumsicht, ein BOSE-Soundsystem mit 12 Lautsprechern, Sitzlüftung vorne und Heizung im Fond sowie eine Memory-Funktion für den Fahrersitz. Der Plug-in-Hybrid schließlich rangiert als Topmodell in der höchsten Ausstattung „Advance Tech“ zusätzlich mit den elektronisch gesteuerten Dämpfern und Einparkroboter für 59.900 Euro.

Keine Unterschiede oder Einschränkungen gibt es bei der Sicherheit. Im Gegenteil, mit dem so genannten „Sensing 360“ besitzt der CR-V als erstes Honda-Modell in Europa von Haus aus ein nahezu komplettes Paket aus aktiven und passiven Sicherheitstechnologien, das wie die Bezeichnung schon sagt, einen 360-Grad-Rundumschutz bieten soll. Dazu zählen Kameras und Radarsysteme, die Fahrstreifen, Begrenzungen, Autos, Motorräder, Fahrradfahrer und Fußgänger erkennen. Neu ist außerdem ein vorderer Ausparkassistent, der bei niedrigem Tempo auch in schlecht einsehbare Kreuzung hineinlugen kann. Der adaptive Tempomat ist jetzt mit dem Blinkersignal verknüpft und beschleunigt beim Überholvorgang. Und ebenfalls neu ist der Stauassistent, der in dichtem Verkehr beim Stop&Go die Spur hält und ab 72 km/h automatisch auf den aktiven Spurhalteassistenten umschaltet.

Noch was vergessen? Ach ja, das Design. Abgesehen von der neuen Größe fällt das relativ unspektakulär aus: Kastige, aufrechte Form, große Flächen, bündige Übergänge, ohne wilde Sprünge oder Schnitte im Blech. Die Frontpartie gefällt mit schmalen Scheinwerfern und der neuen Lichtsignatur der Tagfahrleuchten, wobei Vollhybrid und Plug-in-Hybrid sich hier durch ihre jeweils eigenständige Kühlergrill-Gestaltung unterscheiden. Am Heck findet sich die vertikale Kombination aus Bremsleuchten und Blinkern als Weiterentwicklung des typischen CR-V Rückleuchten-Designs. Unterm Strich: ein solides und unauffälliges Design, an dem man sich aber auch nicht so schnell satt sieht – eine gute Empfehlung für den Weg in die Oberliga. 

Daten Honda CR-V e-HEV

Länge x Breite x Höhe (m): 4,71 x 2,15 (inkl. Sp.) x 1,68
Radstand (m): 2,70

Antrieb: 4-Zyl.-Benziner, 1993 ccm, 148 PS; E-Motor 135 kW, AWD, Aut.
Systemleistung: 135 kW / 184 PS
Max. Drehmoment: 335 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 187 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 9,5 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 6,7 Liter
CO2-Emissionen: 151 g/km (WLTP)
Energieeffizienzklasse: k.A.
Schadstoffklasse: 6d
Leergewicht (EU)/ Zuladung: min. 1875 kg / max. 475 kg
Kofferraumvolumen: 579-1634 Liter
Basispreis: 51.400 Euro
Testwagenpreis: 54.900 Euro

 

(Quelle: Frank Wald, cen)


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